Frage:
Ich spiele schon seit ca. drei Jahren intensiv klassische Gitarre und beschäftige mich mittlerweile mit mittelschweren Stücken. Mein Hauptproblem liegt darin schnell zu spielen. Während mir Akkordzerlegungen noch in einem relativ hohem Tempo gelingen, fallen mir schnelle Läufe im Wechselschlag sehr schwer. Wie kann ich meine Schnelligkeit verbessern?
Antwort:
Auf diese Frage erhält man meist die Standardantwort: “Schnellspielen ist nicht alles. Wichtig ist, dass Dein Spiel ausdrucksvoll und musikalisch ist!”. Natürlich genießt der musikalische Ausdruck äußerste Priorität, aber das Eine schließt das Andere ja nicht aus und gerade die frappierenden virtuosen Effekte, rasanten Läufe und Arpeggien, ein fließendes Tremolo usw. faszinieren viele Menschen für die Gitarre.
Genauso wie nicht alle Menschen gleich schnell laufen können, ist jeder und jedem auch beim schnellen Gitarrespielen eine individuelle Grenze gesetzt. Man sollte sich aber nicht zu früh mit dem Erreichten zufrieden geben, denn die persönliche Grenze lässt sich oft erstaunlich weit verschieben.
Hier ein paar Übetipps:
- Präzision
Die Basis für das schnelle Spielen ist ein sicheres spieltechnisches Fundament bzw. eine hohe Präzision und Synchronisation in den Anschlags- und Greifbewegungen. Diese Grundlage lässt sich nur in einem sehr langsamen Tempo legen. Übe also alle Stellen -die später schnell gespielt werden sollen- zuerst langsam ein. Wenn alles gut und sicher klappt solltest Du damit beginnen, das Tempo schrittweise zu steigern. Hierbei ist ein Metronom sehr hilfreich! Sobald sich Unsauberkeiten einschleichen schalte wieder eine Stufe zurück.
- Fingersatz
Eine wichtige Vorrausetzung insbesondere bei technisch anspruchsvollen Passagen ist die richtige Auswahl des Fingersatzes. Z.B. lassen sich durch den Einbau von Bindungen (Hammer on, Pull off) oder die Verwendung von leeren Saiten (zum Beispiel bei Lagenwechseln innerhalb eines schnellen Laufs) manche Stellen entschärfen. Besonders der Fingersatz der rechten Hand sollte genau festgelegt sein. Ungünstige Saitenwechsel sollten vermieden werden.
Auch sollte man ruhig mal mit anderen Anschlagsmöglichkeiten experimentieren. Es besteht ja keine Verpflichtung, den Wechselschlag immer mit Zeige- und Mittelfinger auszuführen. Vielen geht zum Beispiel der Wechselschlag zwischen Daumen und Zeigefinger viel besser und schneller von der Hand.
- Grundschnelligkeit steigern
Die Grundschnelligkeit lässt sich gut mit sogenanntem Sprint-, Impuls- oder Intervalltraining verbessern. Alle drei Ausdrücke stehen für dieselbe Übeform. Will man das Tempo seines Wechselschlags erhöhen, dann fängt man z.B. zuerst an, in einem ruhigen Tempo pro Taktschlag eine Note zu spielen. Fühlt man sich sicher, dann kann man in regelmäßigen Abständen ein paar Noten (z.B. eine Vierergruppe) im doppelten Tempo spielen. Je sicherer man dabei wird, desto größer lässt man die Abschnitte im doppelten Tempo werden. Kann man das doppelte Tempo sicher durchhalten, dann wird die Übung aufs Neue mit einem erhöhten Grundtempo ausgeführt. Dies kann man natürlich auch auf Tonleitern oder Akkordzerlegungen anwenden.
- Tempovorstellung
Vielen fehlt ab einer gewissen Geschwindigkeit die nötige Tempovorstellung. Eine akustische Tempovorstellung kann man z.B. durch das Sprechen oder Singen von Rhytmussilben (Ta-ke-ti-na, ja-ka-ta-ka, oder was immer einem recht flüssig über die Lippen kommt) bekommen.
Auch das mentale Üben kann dabei helfen, eine gute Tempovorstellung zu erlangen.
- Rasgueados
Scott Tennant macht in seinem innovativen Technik-Lehrwerk “Pumping Nylon” auf den Umstand aufmerksam, dass die meisten Flamencogitarrist*innen spielend rasend schnelle Läufe bewältigen und führt das auf die im Flamenco so häufig einsetzten Rasgueados zurück. Durch das Spielen von Rasgueados werden insbesondere die Streckmuskeln, die für die schnelle Rückstellbewegung nach außen nötig sind, aufgebaut. Es erscheint also durchaus lohnenswert, sich mit dieser Flamenco-Spieltechnik zu befassen.
- Geduld und Zeit
Eine der wichtigsten Voraussetzungen bei der Entwicklung gitarristischer und musikalischer Fähigkeiten ist sicher, sehr viel Geduld mitzubringen. Wenn man den Dingen die nötige Zeit gibt sich zu entwickeln, kann man sich viel Frust ersparen. Es ist zwar wichtig mit Einsatz, Ausdauer und Ehrgeiz bei der Sache zu sein, erzwingen lässt sich aber fast nichts. Oft treten die gewünschten Erfolge erst nach einem sehr langen Zeitraum – meist wenn man schon gar nicht mehr damit gerechnet hat – auf.