Frage:
Ich hab mit Freunden ein Gitarrenquartett gegründet. Bei den ersten Proben hatten wir weniger mit den Stücken, als mit dem Zusammenspiel zu kämpfen. Kannst Du uns ein paar Tipps geben, wie wir das verbessern können?
Antwort:
Kammermusik ist für Gitarrist*innen eine ganz besondere Herausforderung. Dies hängt natürlicher Weise mit der Art der Tonerzeugung zusammen. Im Gegensatz zu Flöten oder Geigen, wird z.B. ein zu später Anschlag generell durch deutliche Hörbarkeit bestraft.
Die wichtigste Grundvorraussetzung ist natürlich, dass alle ihre jeweilige Stimme gut beherrschen, um die ganze Konzentration auf das Zusammenspiel zentrieren zu können. Hierbei empfiehlt sich beim Einstudieren zur Kontrolle das Metronom einzusetzen. Die Tempi sollten vorher gemeinsam festgelegt werden, damit jede/r Spieler*in beim Üben die selbe Hörerwartung entwickelt.
Aus den Einsätzen sollten die Tempi eindeutig abzunehmen sein. Es lohnt sich, das Geben der Einsätze gesondert zu üben. Jede/r Spieler*in sollte einmal versuchen, den Mitmusiker*innen nacheinander verschiedene Tempi – einzig durch einen körperlichen Einsatz – zu vermitteln. Ein schlechter Einsatz zieht sich oft wie ein roter Faden durch das gesamte folgende Stück.
Sehr hilfreich ist es, wenn man sich beim Üben nicht nur auf seinen eigenen Part konzentriert, sondern sich auch mit den Stimmen der Mitspieler*innen auseinandersetzt. Wer anhand der Partitur übt und so die gesamte musikalische Struktur durchschaut, entdeckt dabei auch schnell markante Orientierungsmöglichkeiten, die ihm die anderen Stimmen bieten.
Das allerwichtigste für ein gutes Zusammenspiel ist natürlich, das man sich gut zuhört. “Nur mit den Ohren spielt man gut“, könnte man hier frei nach St. Exupery sagen. Oft findet dieser an sich als selbstverständlich erscheinende Punkt nicht genug Beachtung. Die Musiker*innen spielen als Individualist*innen vor sich hin, nehmen den Gesamtklang aber gar nicht in sich auf. Deshalb sollte man sich anfangs auch auf weniger komplexe Werke beschränken.
Um sich einmal ganz auf das Zuhören zu konzentrieren, können sich die Ensemblemitspieler*innen so mit dem Rücken zueinander setzen, dass sie keinen Blickkontakt untereinander haben. Das Ohr bietet in diesem Fall die einzige Orientierungsmöglichkeit. Erstaunlicherweise funktionieren meist sogar die Einsätze, obwohl man sich nicht anschaut.
Um die ganze Aufmerksamkeit auf die rhythmische Komponente eines Stücks lenken zu können, sollte man die Saiten des Instruments hin und wieder mit einem Tuch abdämpfen, so dass nur noch ein percussiver Klang entsteht. Gerade bei hohen Tempi lohnt sich diese Übemethode, da man alle Aufmerksamkeit auf den gemeinsamen Anschlag und die rhythmische Präzision richtet.
Sehr wichtig für das Zusammenspiel ist auch eine gemeinsame musikalische Idee. Ein Ensemble sollte grundsätzlich mit einer Stimme sprechen und eine gemeinsame Interpretation festlegen, die sich auf die formalen, artikulatorischen, dynamischen und klangfarblichen Aspekte des Werks bezieht.
Um als Ensemble zusammen zu wachsen, braucht es selbstverständlich etwas Zeit. Man muss sich gut kennen lernen, um irgendwann genau die Phrasierung der Mitspieler*innen vorauszuahnen und organisch mit zu gestalten.
Als kleine Einspielübung empfehle ich Euch das gemeinsame Tonleiterspiel. Nehmt Euch eine einfache Skala und spielt diese vorerst unisono. Später können dann rhythmische Ergänzungsübungen folgen: Bei der viermaligen Wiederholung jedes Skalentons, können z.B. die erste und die dritte Note von zwei Spieler*innen übernommen werden, während die Töne auf der zweiten und vierten Zählzeit von den anderen beiden Spieler*innen eingefügt werden. Dies lässt sich in allen möglichen Kombinationen ausführen und schult auch das individuelle Rhythmusgefühl.