Frage:
Ich lese hier immer öfter von Meisterkursen. Besonders im Kursverzeichnis gibt es zahlreiche Angebote. Was bringen Meisterkurse? Reicht der normale Unterricht nicht aus? Was muss man können, um an so einem Kurs teil zu nehmen? Was muss man unter passiver Teilnahme verstehen? Ich spiele seit einigen Jahren akustische Gitarre und suche nach Möglichkeiten mich weiter zu entwickeln!
Antwort:
Zu diesem Thema hat sich der Gitarrist Wolfgang Lendle in einem Interview folgendermaßen geäußert: “Meisterkurse halte ich grundsätzlich für sehr wichtig, vielleicht nicht unbedingt für jedes Ausbildungsstadium, aber einem schon ziemlich fortgeschrittenen Schüler kann man auch in 2 oder 3 Tagen eine Vielzahl von Tipps aller Art geben, die ihn sehr motivieren können , ja ihm viele neue Perspektiven eröffnen können. Oft kann man tatsächlich in einer solch kurzen Zeit manches alte Problem lösen, denn man tritt als Kursdozent einem Schüler ja völlig neutral gegenüber und erkennt unter Umständen auch Dinge, die der ständige Lehrer durchaus am Anfang auch erkannt hat, sich aber vielleicht inzwischen, nach mehreren nur mäßig erfolgreichen Lösungsversuchen mit einer Kompromisslösung abgefunden hat. Hier tut ein kurzer, aber heftiger frischer Windstoß oft sehr gut. Dies kann meinen eigenen Studenten selbstverständlich auch passieren, wenn sie zu Kollegen auf Kurse fahren. In jedem Fall befürworte ich für meinen Studenten die Teilnahme an Kursen bei Kollegen. Dazu kommt noch der überaus wichtige und fruchtbare Austausch der Kursteilnehmer untereinander!”
Dem ist in vollem Umfang zuzustimmen. Ich selbst habe erlebt, wie stark man von intensiven Kurserlebnissen profitieren kann und wie fruchtbar sich dies auch auf den Unterricht mit der/dem Stammlehrer*in auswirkt. Die Vorraussetzungen sind von Veranstaltung zu Veranstaltung sehr unterschiedlich. Normalerweise sind diese aber der Ankündigung zu entnehmen oder lassen sich einfach bei den Veranstalter*innen erfragen. Wer sich das erste Mal auf einen Meisterkurs begibt sollte sich dabei ganz realistisch einschätzen und dies auch bei der Wahl der/des Dozent*in berücksichtigen.
Sicher träumt fast jede/r von Stunden bei den Stars der Zunft. Wer sich gleich für Stunden mit John Williams oder Pepe Romero bewirbt sollte sich dabei aber ganz selbstkritisch hinterfragen, ob er schon die nötige Sicherheit mitbringt, um vom Podiumsunterricht vor einer großen Zuhörerschaft wirklich zu profitieren. Es empfiehlt sich sehr, anfangs bei weniger bekannten aber nicht weniger kompetenten Dozent*innen die nötige Routine für derartige Situationen zu sammeln.
Für die klassischen Meisterkurse hat sich der Podiumsunterricht als bewährte Unterrichtform herauskristallisiert. Dies ermöglicht der/dem Dozent*in auf die/den einzelne/n Student*in und die jeweils individuellen interpretatorischen und spieltechnischen Problemstellungen einzugehen. Die jeweils inaktiven Teilnehmer*innen lernen dabei durch passives Zuhören und profitieren durch Anschauung auf vielfache Weise auf inhaltlicher, pädagogischer und methodischer Ebene.
Die passive Teilnahme kann aber auch dazu dienen, einfach mal in die Kursatmosphäre herein zu schnuppern, sich mit der Situation vertraut zu machen, die Aura einer großen Künstlerpersönlichkeit zu spüren und Motivation zu tanken. Immer wieder erlebt man auf Meisterkursen und Festivals, dass es nach besonders intensiven und inspirierten Stunden auch die passiven Teilnehmer*innen mit Ungeduld und voller Tatendrang zu ihren Instrumenten zieht.
Kurse dienen aber auch immer dazu neue Kontakte zu knüpfen, Spielpartner*innen zu finden, zu fachsimpeln. Oft sind auch Gitarrenbauer*innen oder Notenhändler*innen vor Ort, so dass die Möglichkeit besteht, Instrumente anzuspielen und sich über Neuerscheinungen zu informieren.
Bei Deiner Frage hast Du offen gelassen, ob Du klassische/r Gitarrist*in oder Fingerstyle-Gitarrist*in bist. Falls letzteres der Fall ist, bringen Dich Meisterkurse nicht wirklich weiter. In diesem Fall solltest Du im umfangreichen Workshopangebot etwas Passendes finden.