„Painted Songs“ präsentierte Eddie Nünning bei seinem Hamburg-Debüt am 03.06.2004 in der Konzert- und Workshop-Reihe der Hamburger Gitarrentage, für das er Lara Schallenberg mit ins VHS-Bildungszentrum-Ost gebracht hatte. Gemeinsam mit der jungen Sängerin bildet er seit kurzem das Duo „Rainbow Sleeves“, welches sich vorrangig auf die Interpretation von Songs aus der Singer-Songwriter-Tradition spezialisiert hat. Anders als bei Nünnings Formation „To be Two“ geht es bei den Rainbow Sleeves deutlich weniger jazzig zu. Mit Stücken von Elton John, Neil Young, Rickie Lee Jones, den Beatles, Prince, Tom Waits u.a. umfasst ihr Programm zahlreiche Edelsteine der Rock-, Pop- und Bluesgeschichte.
Dass sich die Hamburger Gitarrenfans wieder auf ein hochwertiges und abwechslungsreiches Konzert freuen durften, wurde beim Anhören der erst kürzlich erschienen CD schnell offenbar. Das Konzert der Rainbow Sleeves konnte diese Erwartungen sogar übertreffen. Eddie Nünning faszinierte mit seiner ausgefeilten orchestralen Begleittechnik und drei solistischen Einlagen, mit denen der Lippstädter Gitarrist zeigte, dass er auch als Solo-Fingerstyler einiges zu bieten hat. Auf der Bühne hatte er eine eindrucksvolle Gitarrengalerie aufgebaut, um sich zu jedem Song das jeweils passende Instrument wählen zu können. Der abwechslungsreiche Sound wurde zudem hier und da durch den dezenten Einsatz des Gitarrensynthesizers abgerundet. Um nichts dem Zufall überlassen zu müssen, hatte das Duo sogar einen eigenen Techniker mit nach Hamburg gebracht. Glänzend auch die Livequalitäten Lara Schallenbergs, die mit nuancenreicher Stimme punktgenau und emotionsgeladen den Charakter der verschiedenen Songs darzustellen wusste.
Dass dieses Programm auf offene Ohren stößt, zeigte sich mehr als deutlich an den begeisterten Publikumsreaktionen. Anders als bei Jazzstandards verfügt das Repertoire der „Rainbow Sleeves“ über einen wesentlich höheren Bekanntheitsgrad. Immer wieder waren verwunderte Gesichter von Konzertbesuchern zu beobachten, die gerade einen ihrer Lieblingssongs hörten und erstaunt feststellen mussten, dass ein Gitarrist es vermag mit seinem Instrument eine komplette Band zu ersetzen.
Zum anschließenden Wochenend-Workshop versammelten sich dann 11 neugierige Gitarristen im VHS-Bildungszentrum, um von Eddie Nünning in seine Welt des „Groovin´ Fingerstyles“ eingeführt zu werden. Dabei war der musikalische Hintergrund der einzelnen Workshopteilnehmer erfrischend unterschiedlich. Fingerstyler, klassische Hobbygitarristen, ambitionierte Songbegleiter und studierte Gitarrenlehrer saßen einträchtig nebeneinander und begeisterten sich an der Erprobung der Grooves, farbigen Harmonien und den speziellen Klicksounds. Zu Beginn des zweitägigen Kurses entwirrte Nünning das für viele fast undurchschaubare Dickicht an add 9-, maj 7/9-, moll 7/b5- oder 7/#9-Akkorden. Ausgehend von 6 Grundgriffformen zeigte er, wie sich all diese im Jazz gebräuchlichen Harmonien problemlos herleiten lassen. Ein spezieller Griffbrett-Lageplan ermöglicht dies selbst denjenigen, die über nur geringeres oder gar kein Harmonielehrewissen verfügen. Die praktische Umsetzung demonstrierte Nünning dann eindrucksvoll mit diversen Beispielen zur Reharmonisation des Bob Dylan-Klassikers „Knocking On Heavens Door“.
Mit einer eigen Version des Spirituals „Swing Low“ folgte der Einstig in die Arbeit mit Grooves und Klicksounds. Nünning geht bei der Vermittlung sehr praktisch und äußerst systematisch vor. In kleinen Schritten wird teilweise Taktschlag für Taktschlag der Grundgroove eingeübt, bis ihn jeder Teilnehmer verinnerlicht hat. Nach Erläuterungen, wie man sich den gesamten Song selbständig zu Ende erarbeiten kann, geht es auch schon zum nächsten Übungsbeispiel weiter. Im Verlauf des Kurses gibt Nünning Einblick in nicht weniger als 16 verschiede Songs aus verschieden Stilbereichen wie Jazz, Rock, Pop, Folk oder Blues und demonstriert anschaulich percussive Spieltechniken und Klicksounds, gibt Anregungen für kreative Arrangements und Reharmonisationen und zeigt, wie sich gleichzeitig Harmonien und Walking-Bass spielen lassen bzw. wie sich eine authentische Basslinie ausarbeiten lässt. Von der ersten bis zur letzten Minute zeigt Eddie Nünning seine große Erfahrung als Workshop-Dozent und widmet sich intensiv und ausdauernd seinen Kursteilnehmern.
Ihm geht es in seinem Workshop nicht in erster Linie darum, ein komplettes Lied einzustudieren. Vielmehr gibt er den Teilnehmern eine Fülle an Anregungen, gut vorbereitetem Lehrmaterial und Motivation mit auf den Weg um ihnen die Möglichkeit zu vermitteln, sich nach dem Workshop eigenständig mit dem Übungsstoff bzw. den zahlreichen Songbeispielen auseinander zu setzen und die neu erworbenen Fähigkeiten kreativ für eigene Arrangements zu verwenden. Dass sich dies nach einiger Zeit sogar spontan, anhand eines einfachen Leadsheets umsetzen lässt, bewies Nünning auf Wunsch und zur Verblüffung vieler Teilnehmer anhand von Bob Marleys „Redemption Song“.
Eddie Nünnings „Groovin´ Fingerstyles“-Workshops sind nicht nur für die Anhänger seiner Spielweise interessant sondern stellen insbesondere für Gitarrenlehrer ein hervorragendes Fortbildungsangebot dar. Die bandartigen Arrangements dürften den Nerv vieler Jugendlicher treffen, diese auf gitarristischer und musikalischer Ebene ein ganzes Stück weiterbringen und manchem die Begeisterung für das akustische Instrument aufrecht erhalten.
Auch für den gemütlichen Rahmen war selbstverständlich wieder gesorgt. Zwischen den intensiven Unterrichtseinheiten gab es genügend Zeit, um sich beim gemeinsamen Mittagessen oder einer Tasse Kaffee auszutauschen und näher kennen zu lernen.