Frage:
Wie lang sollen die Fingernägel beim Gitarrespielen sein und wie muss man sie feilen?
Antwort:
Die Fingernägel der Greifhand sollten sehr kurz sein, damit man die Finger wirklich senkrecht von oben auf die Saiten aufsetzten kann, ohne dass dabei die Nachbarsaiten abgedämpft werden. Bei Abzugsbindungen dürfen die Nägel nicht an der Saite hängen bleiben, da dies unschöne Nebengeräusche erzeugen würde. Nägel, die das Griffbrett berühren, können zudem das Instrument beschädigen. Auf alten Wandergitarren sieht man hin und wieder richtige Kerben die sich über die Jahre zwischen den Bundstäben gebildet haben und mit Sicherheit von zu langen Fingernägeln stammen.
Auch die Nägel der Anschlagshand sollten zunächst kurz gehalten werden, da sie für ungeübte Spieler*innen anfangs eher ein Hindernis beim Anschlagen darstellen können. In den ersten Gitarrenstunden sollten aber andere elementare Inhalte wie z.B. die Haltung, die Grundanschlagstechniken oder das Notenlesen im Vordergrund stehen.
Später kann dann zum Anschlag mit den Fingernägeln übergegangen werden, da dies mehr Möglichkeiten der tonlichen Gestaltung und ein größeres Volumen zulässt. Meist ergibt sich der Zeitpunkt, zu dem der Nagelanschlag eingeführt wird von selbst, da irgendwann in jedem Spieler der Wunsch nach einem befriedigenden und nebengeräuschfreien Klangergebnis erwächst
Länge und Form – Die Nägel sollten etwa einen Millimeter über die Fingerkuppen hinausschauen, beim Ringfinger kann es aus anatomischen Gründen auch etwas mehr sein. Die Länge des Daumennagels differiert von Gitarrist*in zu Gitarrist*in sehr. Ich selbst bevorzuge einen relativ kurzen Daumennagel (ca. 2 mm länger als die Kuppe), da bei mir ein längerer Daumennagel zu einem sehr spitzen Ton führt und beim Anschlagen an der Saite hängen bleibt. Andere Gitarrist*innen kommen aber auch gut mit einem längeren Daumennagel zurecht.
Länge und Form hängen selbstverständlich stark vom individuellen Wuchs der Nägel ab, absolute Werte lassen sich deshalb nicht festlegen lassen. Der eine Nagel ist nach unten geneigt, der andere nach oben, manche Nägel sind stark gebogen, andere wiederum flach. Auch wie stark der Nagel mit dem Nagelbett verwachsen ist, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Alle diese Faktoren beeinflussen die individuelle Ausformung des Nagels, so dass ich hier lediglich Tipps geben kann, die sich in der Praxis bewährt haben.
Viele Gitarrist*innen feilen ihre Fingernägel entsprechend der Form ihrer Fingerkuppen. Auch ich komme mit dieser Form sehr gut zurecht. Insbesondere bei stark nach unten gebogenen Fingernägeln ist es allerdings ratsam den Nagel an der Fingerspitze stak abzuflachen, da sonst eine Art Krallennagel entsteht, mit dem man an der Saite hängen bleibt. Wie diese Form aussieht kann man sich unter folgendem Link anschauen: http://www.micro-mesh.de/pages/gitarristen.html
Pflege – Mit einer fein gekörnten Feile wird der Nagel in die grobe Form gebracht und die dabei entstehenden Grate entfernt. Danach erfolgt der Feinschliff mit sehr feinem Schleif- bzw. Polierpapier. Ich benutze eine Körnung von 1200, man kann aber auch noch deutlich feineres Schleifpapier bekommen. Zum Schluss werden die Nagelkanten absolut glatt poliert. Hierfür kann man wahlweise ein Fensterleder oder eine Polierfeile aus der Drogerie verwenden.
Viele Gitarrist*innen klagen über zu dünne, langsam wachsende oder schnell brechende Fingernägel. Dies lässt sich oft durch gezielte mineralstoffreiche Ernährung ändern. Bei akuten Schwierigkeiten hat schon oft die Einnahme von Kieselerde geholfen. Auch eine Kur mit dem in jeder Apotheke erhältlichen Mittel Gela-Zet, kräftigt die Nägel und beschleunigt ihr Wachstum. Wenn dies nicht hilft kann ein Besuch im Nagelstudio ratsam sein. Hier gibt es z.B. die Möglichkeit, die Nägel mittels eines speziellen Gels und UV-Licht zu härten.
Notfälle – Viele werden schon einmal die unschöne Situation erlebt haben, dass ein Nagel kurz vor einem Konzert abgebrochen, eingerissen oder sonst wie beschädigt wurde. Bei kleineren Rissen gibt es die Möglichkeit, den Nagel mit Hilfe von Sekundenkleber und den dünnen Zellstofflagen eines Taschentuchs (manche nehmen auch Nagellack anstatt des Sekundenklebers) zu flicken. Hierbei sollte man mit großer Vorsicht arbeiten, da man mit diesem Klebstoff selbstverständlich auch ungewollt z.B. seine eigenen Finger aneinander kleben kann. Zur Reparatur trägt man den Kleber dünn auf den beschädigten Nagel auf und legt darauf ein kleines Stück Zellstoff. Diesen Vorgang ein paar mal wiederholen (ca. 3-5 mal) um eine ausreichende Stabilität und Formbarkeit zu gewährleisten. Diese Schichten sollte man nicht zu lange auf dem Fingernagel belassen. Bei einem Totalschaden kann ein Kunstnagel weiterhelfen, der z.B. in Fachgeschäften oder auch in ganz normalen Drogerien käuflich erworben werden kann. Er wird einfach auf den natürlichen Nagel aufgeklebt. Viele Spieler*innen empfinden Kunstnägel eher als Fremdkörper. Da er auf den natürlichen Nagel aufgeklebt wird, vergrößert sich auch der Abstand zum Nagelbett. Einige Spieler*innen bleiben deshalb manchmal beim Anschlag mit dem Kunstnagel an der Saite hängen. Bei derartigen Problemen muss der Fingernagel gekürzt und der Verlust an klanglicher Brillanz leider hingenommen werden. Damit die unterschiedlichen Längen dann nicht den Spielfluss behindern, ist es manchmal ratsam die anderen Nägel auch etwas kürzer zu feilen.
Soweit hier ein paar kurze Tipps, die Dir hoffentlich weiterhelfen, obwohl sie lediglich als variable Richtwerte betrachtet werden können. So individuell wie die Fingernägel, so verschieden müssen auch die unterschiedlichen Formen sein, mit dem man jeweils das optimale klangliche Ergebnis erzielt. Hier hilft es nur zu experimentieren, was sich auch über einen längeren Zeitraum erstrecken kann.
Eine sehr interessante und äußerst detaillierte Beschreibung zum Thema Fingernägel stell Jens Wagner mit seinem Aufsatz “Feiltechnik für Gitarristen – Anleitung zum Feilen der Fingernägel mit Schleifpapier” auf seiner Web-Site zur Verfügung. Auch in Scott Tennants Techniklehrwerk “Pumping Nylon” und dem gleichnamigen Lernvideo gibt es hierzu gute und anschauliche Ausführungen und Abbildungen.
Ganz wichtig ist es jedoch, nicht zu vergessen das ein guter Ton im wesentlichen von der Anschlagstechnik und einer präzisen Hörvorstellung bestimmt wird. Dieses Thema bietet aber mehr als genug Stoff für ein Extrakapitel in dieser Rubrik oder in den Gitarrentipps und soll deshalb zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden.