In der 32. Ausgabe des Rundbriefes von GitarreHamburg.de habe ich die CD “The Four Seasons” vom Barrios Guitar Quartett vorgestellt. Mit dieser Einspielung schaffte das Ensemble auch den Durchbruch auf nationaler und internationaler Ebene. Ich freue mich, dass ich den Besuchern von GitarreHamburg.de nun das Barrios Guitar Quartet durch ein – per Email geführtes – Interview etwas näher vorstellen kann.
Christian Moritz: Warum nennt Ihr Euch Barrios Guitar Quartet? Meines Wissens existiert von Augustin Barrios Mangore keine Komposition für Gitarren-Quartett.
Bernd Maier: Uns ging es bei der Namenswahl nicht so sehr um einen konkreten Bezug zu einer Originalkomposition für Gitarrenquartett bzw. zu einem Komponisten, der diese Besetzung für sich entdeckt hat. Augustin Barrios hat für uns eine andere Bedeutung. Er zeichnet sich durch eine eigene musikalische Identität aus indem er überwiegend Eigenkompositionen geschaffen hat, die oft einen starken Bezug zu seinem Land, seiner Kultur und den ihr eigenen Traditionen haben. Darüber hinaus hat er eine Reihe von klassischen Werken (Bach, Haydn, Beethoven, Händel) für die Gitarre übertragen und hat somit für uns in zweierlei Hinsicht eine Pioniertat geleistet. Denn er war zu seiner Zeit einer der wenigen Gitarristen, die in so hohem Maße das Repertoire der klassischen Gitarre erweitert und aufgewertet haben.
C. M.: Wie hat sich das Quartett gebildet und seit wann spielt es in dieser Besetzung?
Manfred Fischer: Wir kennen uns schon ziemlich lange aus den gemeinsamen Studienzeiten am Frankfurter Konservatorium. Eines unserer Klassenkonzerte – das war 1996 in Wien- würzten wir mit ein paar Quartettstücken als Zugabe. Nun, bald darauf waren wir fest entschlossen, unsere gemeinsame Kammermusik zu einem eigenen Ensemble auszubauen.
C. M.: Habt Ihr in Eurem Ensemble eine feste Stimmverteilung?
Heinz Strobel: Die Stimmverteilung richtet sich bei uns grundsätzlich ganz flexibel nach den Erfordernissen des jeweiligen Stückes. Im Falle meines Arrangements der “Vier Jahreszeiten” beispielsweise sind gewisse Passagen der Solovioline auf alle vier Gitarren verteilt, wodurch eine Annäherung an die Virtuosität der Violine zustande kommt, die anders auf der Gitarre nicht erreicht werden kann. Dabei entsteht zusätzlich eine besondere räumliche Klangverteilung, die einen sehr eigenen und interessanten Effekt hat, zum Beispiel wenn die Solostimme von links nach rechts durch das Ensemble wandert. In anderen Fällen nehmen wir anfangs eine klassische Stimmverteilung vor, um sie im Laufe des Stückes zu durchbrechen, oder um dynamisch kontrastreiche Stellen durch Links-rechts-Verteilung zu unterstreichen. Dies sind einige der vielen Möglichkeiten, das Spektrum eines aus vier Gitarren bestehenden Klangkörpers sinnvoll zu nutzen. Insofern sind also bei uns alle vier Instrumente gleichberechtigt, und die Stimmverteilung wird individuell mit unserer musikalischen Interpretation verwoben. In diesem Zusammenhang ist noch anzumerken, dass wir immer auch eine siebensaitige Gitarre verwenden, um einen größtmöglichen Tonumfang für unsere Bearbeitungen und Eigenkompositionen zur Verfügung zu haben.
C. M.: Seit Ihr auch als Solisten aktiv oder nimmt das Quartett Eure ganze Aufmerksamkeit in Anspruch?
Martin Wentzel: Wir konzentrieren uns voll auf das Quartett! Professionelle Ensemblearbeit ist genauso zeitintensiv wie die Arbeit eines Solisten. Wir glauben, dass die Möglichkeiten hier noch längst nicht ausgereizt sind.
C. M.: Ihr habt einige Meisterkurse besucht. Welche Bedeutung hatte hierbei für Euch die Begegnung mit dem LA-Guitar Quartet?
Manfred Fischer: Die LAs sind natürlich Vorbilder für uns – gerade auch in dem Sinne, dass sie sich mit maßgeschneiderten Arrangements und eigenen Kompositionen ein unverwechselbares Profil geschaffen haben. Mal abgesehen von den sehr hilfreiche Tipps zu Ensembletechnik und Klangbalance, die wir von den Kursen mit nach Hause nehmen konnten waren Zuspruch und Anerkennung aus “berufenem Munde” natürlich Wasser auf unseren Motivationsmühlen.
C. M.: Ist Heinz Strobels Bearbeitung der “Vier Jahreszeiten” veröffentlicht worden oder wird sie noch veröffentlicht?
Heinz Strobel: Leider sind die “Vier Jahreszeiten” für vier Gitarren bisher nicht veröffentlicht worden, aber ich bin sehr interessiert, einen Verlag dafür zu finden. Ich habe übrigens auch bereits erwogen, für schwierige Stellen Alternativen anzubieten, um es auch Gitarrenschülern oder Studenten zu ermöglichen, eines oder alle vier Konzerte einzustudieren. Vielleicht kann ich auf diesem Weg einen Verlag dafür interessieren.
C. M.: Ihr habt im April den 1. Preis beim internationalen Gitarrenwettbewerb in Viareggio gewonnen. Was bedeutet Euch diese Auszeichnung? Was für einen Stellenwert haben Wettbewerbe für Euch?
Bernd Maier: Diese Auszeichnung ist für uns eine Bestätigung dafür, daß wir in den vergangenen Jahren sehr gute Arbeit geleistet haben und daß wir mit unserer Sache auf dem richtigen Weg sind. Solche Preise haben natürlich immer auch den Effekt, daß man in der Musikwelt ernster genommen wird, als wenn man “nur” ein Studium und eine CD vorzuweisen hat. Das ist für uns neben der persönlichen Freude über einen 1. Preis der weitaus größere und wichtigere Aspekt an solch einem Wettbewerb. Da sind wir auch schon mitten in der nächsten Frage. Wettbewerbe helfen den Musikern dabei, bekannt zu werden in unserer Gesellschaft. Um mehr geht es dabei aber auch nicht. In erster Linie ist es wichtig, daß man gute Ideen hat und gute Konzerte spielt, daß man das Publikum begeistern kann. Wenn das nicht der Fall ist und man die Menschen nicht für sich gewinnt, dann nützen einem auch 10 erste Preise rein gar nichts.
C. M.: Bis auf Dieter Müller spielt Ihr alle Zederngitarren von M. Dammann. Was zeichnet diese Instrumente aus?
Martin Wentzel: Alle unsere Gitarren haben einen ähnlichen Grundcharakter, sie fallen durch die Feinheit im Ton bei einem beeindruckenden Volumen auf. Es ist uns wichtig, dass eine orchestrale Wirkung durch die zueinander gut abgestimmten Instrumente erreicht wird.
C. M.: Bemerkenswert ist Euer perfektes Zusammenspiel. Was für Tipps könnt Ihr anderen Musikern geben, die noch auf der Suche nach dieser großen Übereinstimmung sind?
Martin Wentzel: Das ist wohl die Frage nach dem Stein der Weisen 😉 Wir haben hierfür sehr hart gearbeitet und sind dieses Problem mit sehr viel Metronomarbeit ganz zielgerichtet angegangen. Letztlich gibt es jedoch kein Geheimnis, wir spielen jetzt schon über fünf Jahre zusammen, da kennt jeder das Spiel des anderen und das erleichtert vieles. Was das punktgenaue Spiel und Präzision angeht: hier kann man sehr viel von Schlagzeugern lernen.
C. M.: Was sind Eure nächsten Projekte?
Bernd Maier: Für das Jahr 2002 sind gleich zwei weitere CD‘s geplant. In welcher Reihenfolge und wann genau sie erscheinen werden ist natürlich noch nicht ganz klar. Es wird eine neue CD des Barrios Guitar Quartet geben, mit Werken von Debussy, Arnold Schönberg, Alban Berg und erstmals zwei Eigenkompositionen von Heinz Strobel und Bernd Maier. Des weiteren wird Heinz Strobel seine erste Solo-CD vorstellen unter Mitwirkung des BGQ, denn es wird neben den Solostücken auch ein Duo und ein Quartettstück mit von der Partie sein. Diese CD wird ausschließlich Eigenkompositionen enthalten.
C. M.: Ich danke Euch für dieses Interview und wünsche Euch auch für Eure zukünftigen Projekte ganz viel Erfolg!
CD-Vorstellung: “The Four Seasons”
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