Seit seiner Einspielung “Acoustic Moods”, die sich weltweit verkaufte, hat Dagobert Böhm einen festen Platz in der Gitarrenszene eingenommen. Das folgende Interview verrät mehr über diesen sensiblen Musiker, Komponisten, Arrangeur und Betreiber des Labels Ozella.
Das Interview führte Christian Moritz.
Christian Moritz: Wie bist Du zur Musik, bzw. zur Gitarre gekommen?
Dagobert Böhm: Bei uns stand zuhause im Wohnzimmer eine Gitarre – ein klassisches Modell oder sagen wir besser eine Wandergitarre mit Nylonsaiten – auf der ich die ersten kleinen Stückchen von meiner Mutter gelernt habe, da war ich wohl so 9 Jahre alt. Ich bin damals noch nicht ernsthaft drangeblieben und sollte dann auch eigentlich Geige lernen. Den Geigenstunden konnte ich nicht viel abgewinnen. So mit 12/13 Jahren habe ich mir wieder die Gitarre geschnappt und es ging dann mit der ersten Band los, auch E-Gitarre, aber die akustische Steelstring war eigentlich immer mein Instrument.
C.M.: Hast Du jemals Unterricht bekommen?
D.B.: Ich erinnere mich an eine Gitarrenstunde, das müsste 1974 gewesen sein. Da wurde mir eine ganz tolle Lehrerin in Dortmund empfohlen. Ich bin mittags nach der Schule die 100 Km dahin getrampt. Ich sollte der Lehrerin etwas vorspielen und sie hat sich derweil die Fingernägel gefeilt. Nach einer 3/4 Stunde hat sie die Feile weggelegt und DM 50,00 kassiert und gemeint, dass jetzt erst mal die Sommerferien anfangen. Ich solle DM 50,00 wöchentlich durchbezahlen und im September wieder kommen. Das habe ich dann gelassen.
Ich habe dann viel später – sozusagen als Profi – begonnen Stunden bei Heiner Beringmeier zu nehmen, Jazzgitarre, Harmonielehre. Vielleicht gar nicht so schlecht, da hatte sich mein eigener Stil schon entwickelt. Ich könnte mir vorstellen, dass es schwieriger ist seinen eigenen Stil zu finden, wenn man den normalen Weg durch eine Schule geht. Der autodidaktische Weg ist natürlich mit Umwegen verbunden, ich habe viel mit Open Tunings experimentiert. Lange Zeit war ein G-Moll Tuning mein Favorit und ein C-Tuning C-G-C-G-G-C. Wenn man das über Jahre macht, weiß man nachher gar nicht mehr, was man mit der Standard Stimmung anfangen soll.
C.M.: Gab es Gitarristen, die als Vorbilder Dein Spiel beeinflusst haben?
D.B.: Es gab und gibt immer wieder Phasen wo ich viel Musik höre, aus den unterschiedlichsten Richtungen und nicht in erster Linie Gitarristen. Die ersten wichtigen Einflüsse waren sicher die Singer-Songwriter wie Dylan, Neil Young, dann James Taylor, David Bromberg, Doc Watson, Jansch/Renbourne, John Martyn und über Joni Mitchell ging es zum Jazz. Auf Ihrem Don Juan’s Reckless Daughter Album habe ich glaube ich zum ersten mal Jacko’s Fretless Sound gehört. Das hat mir musikalisch einen unglaublichen Kick gegeben. Ich habe viel Jazz gehört ohne den Drang, das auch so spielen zu wollen, aber als Inspiration ist das wichtig. Es gab auch eine frühe Phase mit Flatpicking. Bluegrass/Newgrass Tony Rice, David Grisman & Co. und noch davor die Fingerpicker wie z.B. Werner Lämmerhirt und Marcel Dadi. Michael Hedges und Alex de Grassi waren dann wichtig. Über Paul Winter und Oregon, die ich viel gehört habe, war ich auch schon früh auf Ralph Towner gestoßen. Auf Egberto Gismonti kam ich über eine Platte mit Charlie Haden und Garbarek ….die ganzen Jazz Gitarristen die ich gehört habe, kann ich gar nicht alle aufzählen, vielleicht haben die mich auch am wenigsten deutlich beeinflusst. Die vielen unterschiedlichen Projekte von Pat Metheny haben mich immer fasziniert. Es gibt so viel unglaublich gute Musik und ich habe glaube ich überall für mich die Essenz herausgezogen.
C.M.: Wie wichtig ist Dir der spieltechnische Aspekt des Gitarrespiels?
D.B.: Ich denke da nicht so viel drüber nach. Vieles spiele ich intuitiv und weiß gar nicht so genau, wie ich bestimmte Sachen spiele, vielleicht weil ich es nie mit System geübt habe. Ich weiß, was ich spielen kann und weiß auch, was ich nicht spielen kann. Ich versuche auch in gewissem Umfang mich weiter zu verbessern und meine Möglichkeiten zu erweitern, ohne die Ambition ein “Allround Gitarrist” zu werden. Meine Spieltechnik hat sich sicher durch meine Art zu komponieren entwickelt und verändert sich dadurch auch immer etwas weiter, es kommen neue Elemente dazu. Aber ich bin kein Gitarrist, der eben mal schnell in die verschiedensten Projekte einsteigen könnte.
C.M.: Du spielst außer Gitarre noch Sitar. Was hat Dein Interesse für dieses Instrument geweckt?
D.B.: Die Sitar hatte ich mal selbst gebaut, daraus entstand früher mal die Idee Instrumentenbau/Gitarrenbau zu lernen. Ich spiele das Instrument aber nicht wirklich. Früher hatte ich die Sitar ein paarmal zu Konzerten mitgenommen und einige Duo Stücke mit einem Gitarristen gespielt. Dann hatte das Instrument fast nur noch eine Deco Funktion bis ich für meine “Sounds for a blue planet” zum ersten Mal etwas im Studio damit gemacht habe.
C.M.: Kannst Du mit Noten etwas anfangen oder transportierst Du musikalische Inhalte auf ganz andere Weise?
D.B.: Für meine Mitmusiker notiere ich die Stücke. Meine Gruppe Acoustic Unit hätte sonst nicht funktioniert, dafür musste ich das lernen. Für mich schreibe ich die Sachen nicht auf, höchstens die Form der Stücke mit Akkordsymbolen. Im Noten Lesen habe ich dadurch keine große Praxis, schreiben funktioniert schon besser. Es kommen auch immer mal wieder Anfragen von Gitarristen nach Noten oder Tabulaturen meiner Stücke, so habe ich auch schon mal das ein oder andere Gitarrenstück aufgeschrieben. Da möchte ich auch gerne dran bleiben, man lernt auf diesem Wege einiges über die eigene Musik und kommt auch auf neue Ideen und merkt manchmal, wie man einiges besser machen könnte.
C.M.: Wie entstehen Deine Kompositionen und Arrangements?
D.B.: Meistens an der Gitarre und fast immer sind zuerst die Harmonien da und ein Groove. Dann singe ich oft dazu (wenn man das so nennen darf) und nehme das auf eine “Ideen – Cassette” auf. Im Idealfall ist das Stück gleich fertig oder wenigstens nach ein paar Tagen. Wenn es nicht fertig wird, bleibt es auf dieser Cassette, bis ich möglicherweise irgendwann wieder darüber stolpere. Es ist bloß so, dass ich kistenweise von diesen Tapes habe und mir manchmal ganz viel Zeit wünsche, um das alles wieder ausgraben und ausarbeiten zu können. Im letzten Jahr habe ich es tatsächlich geschafft, eine dieser Cassetten systematisch durchzugehen und aus jeder Idee ist ein fertiges Stück geworden. Man ist natürlich von den neuen Sachen immer besonders begeistert, aber ich glaube, dass diese Sachen wirklich besonders stark geworden sind. Diese Stücke habe ich zusammen mit Angua Crash aufgenommen, oder wir sind zum Teil noch damit beschäftigt, und ich hoffe, dass wir das möglichst dieses Jahr noch veröffentlichen können. Ein paar der Aufnahmen erscheinen im März schon mal auf einer Compilation Serie.
C.M.: Wie würdest Du Deinen eigenen Musikstil beschreiben?
D.B.: Ich glaube, das fällt vielen schwer. So eine eindeutige Schublade gibt es leider nicht, das würde vieles vereinfachen. Du kannst es vielleicht New Acoustic Guitar Music nennen. Ambient-Jazz könnte bei String Unit passen. Worldjazz haben wir es schon mal bei Acoustic Unit genannt, obwohl es von den Kompositionen kein Jazz ist, harmonisch ist es etwas anderes. Und Worldmusic im Sinne von ethnischer Musik ist es auch nicht. Die “sounds for a blue planet” hat gerade jemand unter “Acoustic Groove” eingeordnet. Passt alles – und auch wieder nicht. Das lyrische, poetische, melancholische, das meine Musik auch ausmacht, wird damit z.B. nicht beschrieben.
C.M.: Was für eine Rolle spielt die Improvisation in Deiner Musik?
D.B.: Unterschiedlich. Es gibt einige Stücke, wo alles festgelegt ist, wo nur einige Variationen passieren. Bei vielen Stücken ist die Form und das Thema festgelegt und es gibt ein oder mehrere Improvisationsparts. Mit String Unit haben wir auch jede Menge Material eingespielt, wo wir frei im Studio improvisiert haben, da war gar nichts vorher festgelegt. Zum Teil sind das sehr lange Stücke, modale Stücke. Diese Sachen mische ich gerade im Studio. Sehr spannende Musik und trotzdem immer gut anhörbar finde ich, also es wird nie völlig abwegig. Wir bleiben in einer Improvisation meist in einer einmal gefundenen Stimmung und Atmosphäre. Das wird die nächste CD, die ich dieses Jahr machen möchte…
C.M.: Benutzt Du verschiedene Stimmungen bzw. Open Tunings oder bevorzugst Du die Standardstimmung?
D.B.: In letzter Zeit kehre ich wieder mehr zur Standardstimmung zurück. Mein Traum wäre es, mal mit nur einer Gitarre zum Konzert fahren zu können. Meist muss ich dann aber doch vier Gitarren ins Auto packen für die unterschiedlichen Tunings. Der Sound von einem Open-Tuning kann einfach sehr inspirierend sein, das kriegt man in der normalen Stimmung leider nicht hin.
C.M.: Du arbeitest viel mit ungarischen Musikern zusammen, was u.a. auf Deinen beiden CDs String Unit und Acoustic Unit zu hören ist. Wie ist der Kontakt entstanden?
D.B.: Über Tony Lakatos, der früher von Budapest hier in die Paderborner Gegend kam. Mit ihm habe ich schon Ende der 80er gespielt und er hat mir als ich einen Percussionisten suchte Kornél Horvath empfohlen, der wieder einen Bassisten mitbrachte und so kam das.
C.M.: Spielst Du lieber mit einer Band oder solistisch?
D.B.: Ich habe lange Zeit kaum Solo gespielt um nicht zu sagen gar nicht. Nur mal so ein paar Gitarrenstücke pro Abend. Mit so guten Musikern zusammenzuspielen ist fantastisch. Bei manchen Konzerten entsteht eine unglaubliche Energie. Momentan sind aber alle grösseren Projekte auf Eis gelegt, das Booking und die ganze Organisation wurde mir neben der Arbeit für mein neues Label Ozella Music zu viel. Und so hatte ich mehr aus der Not heraus ein paar Solo Konzerte gegeben, was unheimlich gut lief. Ich genieße es, alle Feinheiten und Nuancen auf der Gitarre hören zu können, was in einem Ensemble zum Teil untergeht. Ich spiele nach Möglichkeit ohne Anlage, ganz akustisch und möglichst nur in Räumen mit dafür geeigneter Akustik. Und unter diesen Bedingungen würde ich sagen, spiele ich vielleicht sogar noch lieber Solo. Einige meiner schönsten Stücke sind aber für Gitarre und ein Melodieinstrument geschrieben. Und dann hätte ich manchmal gerne eine zweite Gitarre, Cello o.ä. dabei.
C.M.: Deiner Solo-CD “Circle Around” hast Du im Booklet einen wunderschönen lyrischen Text hinzugefügt, in welchem Du einen Tagesanbruch in der Natur mit all seiner Schönheit, Ruhe und Harmonie beschreibst. Ist Dagobert Böhm mit sich und der Welt zufrieden und versucht das in seiner Musik auszudrücken?
D.B.: Die Natur ist sicher ein wichtiger Inspirationsquell. Naturstimmungen scheinen durch viele meiner Kompositionen durch, auch wenn ich irgendwo in der Großstadt bin. In der Musik suche ich etwas Aufbauendes, Nahrung für die Seele. Gute Musik kann etwas Transzendentes haben, kann eine Verbindung zur geistigen Welt herstellen.
C.M.: Auf der mit Markus Reuter an der Touch-Gitarre und dem Violinisten Zoltan Lantos eingespielten CD “String Unit” mischen sich Klangflächen, räumlich wirkende Effekte und melancholische Melodien. Die Musik wirkt exotisch und meditativ zugleich. Würde es Dich ärgern, wenn man die Musik von String Unit als Meditationsmusik bezeichnen würde?
D.B.: Meditativ sind sicher viele meiner Stücke. Ich fühle mich wohl mit Kompositionen die so 60-70 beats per minute haben, also das Tempo vom Herzschlag. Das kommt ganz automatisch so, wenn ich Stücke schreibe. Diese ruhigen Stimmungen werden z.B. bei Acoustic Unit durch die Percussion etwas relativiert, die dann manchmal double time oder polyrythmische Elemente mit ins Spiel bringt. Bei String Unit kosten wir diese Ruhe und den Raum mehr aus. Das hat dann sicher manchmal meditative Elemente, man könnte manches vielleicht als Ambient bezeichnen. Meditationsmusik ist es sicher nicht, zumal man für eine Meditation eigentlich keinen Klangteppich braucht. Diese üblen, säuselnden, süßlich-klebrigen, einlullenden Klangteppiche, die man für solche Zwecke zu kaufen bekommt, sind sowieso das fieseste, was man musikalisch so serviert bekommen kann.
C.M.: Auch auf “dago – sounds for a blue planet” vermischt Du verschiedene ethnische Stile. Zudem spielen einige Musiker mit, die auch an Deinen bisherigen Projekten mitgewirkt haben. Kann man dieses Album gewissermaßen als vorläufiges Resume Deines bisherigen Schaffens bezeichnen?
D.B.: Ich würde die CD als ein “Special Projekt” sehen. Für die Aufnahmen bin ich von Hannover nach Budapest über Rom bis nach Bornholm gereist. Es hat unheimlich viel Spaß gemacht mit den vielen Musiker zu arbeiten. Einige ältere Titel haben wir für das Album in einem neuen Sound aufgenommen, zum Teil sogar mit Vocals. Mit Drumloops, viel Studiotechnik etc. Also vielleicht ein eher untypisches Album für mich.
C.M.: Was für ein Instrument spielst Du?
D.B.: Meine erste gute Steelstring war eine Tama TG 190. Die hatte ich 1978 gekauft und im Lauf der Zeit habe ich noch zwei weitere TG-190 gefunden, die ich alle in Open Tunings verwende. Meine Hauptgitarre in Standard Tuning ist eine sehr schöne Hegewald Steelstring. Ein sehr spezielles Instrument. Hartmut Hegewald baut ja in erster Linie klassische Modelle und seine Steelstrings haben auch einige Konstruktionsmerkmale der Klassischen Gitarre. Das Instrument klingt sehr schön rund und warm, auch in den obersten Lagen haben die Töne Fülle, es wird nicht so dünn und nasal, wie bei vielen Steelstrings.
C.M.: Benutzt Du ausschließlich Stahlsaiten?
D.B.: Nylonsaiten sind mir irgendwie fremd. Ich war gerade versucht mir eine Hegewald Klassik zuzulegen, vielleicht mache ich es auch mal, es reizt mich schon, aber ich müsste damit glaube ich erst mal wieder viel üben.
C.M.: Welche technischen Mittel nutzt Du im Studio, um Deine Gitarre aufzunehmen?
D.B.: Zwei gute Mikrofone (Gefell U 70), meist außerdem noch ein Pickup Signal, gute Mikrofonvorverstärker, SPL Channel One oder Symetrix 528E, 3 ADATs, weil’s so schön praktisch ist und recht zuverlässig.
C.M.: Mit Ozella Music betreibst Du Dein eigenes Label. Was hat Dich zu Gründung dieses Labels bewogen?
D.B.: Vor der Gründung meines eigenen Labels habe ich gerade mal alle 5 Jahre ein Album rausgebracht, weil die Abhängigkeit von der Company zu groß war. Entweder haben sie plötzlich ihre Programmpolitik total geändert. Oder meine Produktionen blieben irgendwo liegen, dann hieß es nach einem Jahr ich solle dies und das daran ändern und letztendlich wurde es dann evtl. doch nicht veröffentlicht. Das eigene Label und der Verlag gibt mir jede Menge neue Möglichkeiten. Ich habe jede Menge Titel im Fernsehen untergebracht und auf Compilations in Australien und sonst wo. Das wäre alles nicht passiert, wenn ich die Arbeit anderen überlassen hätte. Es ist natürlich viel Arbeit und die Gefahr ist groß, dass man nicht mehr zum Gitarre Spielen kommt. Zeitweise ist das so, da muss man aufpassen. Es ist aber auf jeden Fall so, dass mich die Business Seite auch interessiert.
C.M.: Welches Ereignis würdest Du als Deinen bisherigen Karrierehöhepunkt bezeichnen?
D.B.: Weiß ich nicht. Im Grunde waren es viele kleine Sachen, die ich als persönliche Höhepunkte bezeichnen würde. Manche Konzerte vor wenigen Leuten, wo die Atmosphäre stimmt, die Akustik genial ist, Magie im Raum, so was ist mir wichtiger als ein Konzert vor 10.000 Leuten auf einem großen Festival. Meine CD “Acoustic Moods” verkaufte sich weltweit, fand in Fernost, den Staaten und Südamerika ein recht großes Publikum. Das ist natürlich toll und hatte mir damals Mut gemacht, aber zufrieden bin ich eher mit einigen Stücken der String Unit CD, “Circle” und “Time” z.B. oder “La Via” und “Big Moon – Small Town” von der Acoustic Unit CD, die sich beide wenig verkauft haben, würde ich aber trotzdem als Höhepunkte bezeichnen.
C.M.: Was für Musik hört Dagobert Böhm in seiner Freizeit?
D.B.: Freizeit? Als Musiker, Komponist mit Label und Verlag etc. bleibt da nicht so viel. Da würde ich dann manchmal lieber die Ruhe genießen und vielleicht mal wieder eine Radtour oder Waldlauf machen. Nee, letztendlich dreht sich schon alles um Musik, nur ich weiß dann nicht wann das jetzt evtl. Freizeit ist oder doch eher Beruf. – Aber Du hattest nach Musik gefragt… Jeff Buckley war z.B. eine Entdeckung für mich. In Südfrankreich hatte ich mal ein Stück abends im Radio gehört und war wie elektrisiert. Das Stück kannte ich irgendwoher, und kam dann auch drauf: Leonard Cohen’s “Halleluja”. Wer es da gesungen hatte, habe ich damals nicht herausbekommen. Das hat bestimmt ein Jahr gedauert und dann habe ich mir alle Jeff Buckley CDs gekauft, ein großes Oevre hat er ja nicht hinterlassen. Ani Di Franco war auch so eine Entdeckung, Abbey Lincoln, Charlie Haden, Carla Bley mit Steve Swallow, Abdullah Ibrahim, Chet Baker.
Zwischendurch habe ich auch immer mal wieder Klassik Phasen, Pablo Casals, Jaqueline Du Pré fallen mir da gerade ein, Satie. Ich ziehe auch immer mal wieder gerne coole Scheiben aus den 70ern aus dem Plattenregal, Gil Scott Heron, Michael Franks und so etwas. Singer Songwriter wie Bruce Cockburn, Nick Drake. Zum Teil recht unbekannte Scheiben wie “Big Bright Street” von Hirth Martinez. Oft sind es auch nur einzelne Stücke die mich interessieren, die ich immer wieder höre.
Grundsätzlich sind mir Musiker wichtig, die etwas weglassen können, die reduziert spielen. Leute die “atemlos” spielen finde ich meist schrecklich – das gibt es gerade bei Gitarristen öfter. Es gibt auch so unheimlich viel Musik, wo Du merkst, die Leute spielen etwas was sie gelernt haben, vielleicht sogar gut gelernt haben, nur macht es Sinn, dass sie es spielen? Muss dieser oder jener Lick da noch hin, nur weil er vielleicht harmonisch passt? Musik kann so schön sein wenn man etwas weglässt, wenn man dem einzelnen Ton Raum gibt.
C.M.: Woran arbeitest Du zurzeit?
D.B.: Schon seit ein paar Monaten bin ich mit einem ganz interessanten Projekt beschäftigt. Eine Serie von vier CDs: Morning – Noon – Evening – Night. Die verschiedensten Musiker und Komponisten sind da beteilig (viel Akustik Gitarre). Ich habe mich durch Riesenstapel von CDs durchgehört und die Titel ausgewählt, die mich angesprochen haben und die für das Konzept passen. Das Projekt geht gerade in die Endphase und klingt ganz toll. Es ist interessant, wie man die meisten Stücke ganz klar einer Tageszeit zuordnen kann. Es macht richtig Spaß die CDs zu hören, weil jedes Album trotz der sehr unterschiedlichen Besetzungen und Stilistiken, eine durchgehende Atmosphäre hat. Mit diesen CDs machen wir eine grosse Bemusterung vor allem bei Film- und TV Leuten. Da kann man auf diesem Wege glaube ich einiges erreichen, wo man es sonst als Akustik Gitarrist, oder mit anderer “Nischenmusik” nicht so leicht hat. Das ist sozusagen ein Easy Listening Konzept mit anspruchsvoller Musik.
C.M.: Vielen Dank für dieses interessante Interview!
CDs von Dagobert Böhm: