Als Gitarrenlehrer*in wird man immer wieder damit konfrontiert, dass Kinder zwar gerne Gitarre lernen möchten, aber nur wenig Motivation zum Üben verspüren. Der folgende Beitrag bietet Lösungsvorschläge für dieses Problem und zeigt Möglichkeiten auf, mit denen sich die Freude am täglichen Üben steigern lässt. Zudem habe ich versucht zu definieren welch wichtige Rolle Lehrer*innen und Eltern in diesem Zusammenhang spielen. Der Text lässt sich auch als pdf-Datei downloaden
1. Warum üben?
Das Lernen eines Instruments stellt Schüler*innen sowohl vor neue geistige Anforderungen als auch vor ungewohnte und defizile motorische Aufgaben. Wenn man sich bewusst macht, dass ein Unterrichtsjahr im Normalfall 40 Unterrichtsstunden umfasst, wird schnell deutlich, dass effektive Fortschritte nur dann zu erreichen sind, wenn der Lernstoff zu Hause vertieft wird. Nur so hat die/der Lehrer*in die Möglichkeit in der folgenden Unterrichtsstunde – nach einer kurzen Wiederholungsphase – nahtlos an das Gelernte anzuknüpfen. Wurde in der Zwischenzeit nicht geübt, tritt oft sogar der gegenteilige Effekt auf. Das Gelernte wurde wieder vergessen, so dass in vielen Fällen wieder von vorne begonnen werden muss und der Unterricht irgendwann auf der Stelle tritt.
Gerade für die sehr jungen Schüler*innen ist der Sinn und Zweck des Übens normalerweise nicht nachzuvollziehen. Sie möchten zwar gerne Gitarre spielen, können aber den Zusammenhang zwischen der Weiterentwicklung ihrer instrumentalen Fähigkeiten und dem – meist als anstrengend empfundenen – Üben noch nicht herstellen. Erst mit zunehmendem Alter erkennen Schüler*innen, dass sie es zum großen Teil selbst in der Hand haben, wie schnell und gut sie Fortschritte machen. Kinder, die zu dieser Vernunftentscheidung noch nicht in der Lage sind, werden im seltensten Fall von sich aus zum Instrument greifen um zu üben.
2. Motivation
Die Motivation zum Üben kann auf verschieden Motiven basieren, die aber nicht ganz isoliert voneinander betrachtet werden können. Auch hier gibt es wieder altersspezifische Unterschiede.
Ziele setzten
Ein Ziel zu haben ist sicher ein ganz wichtiger Motivationsfaktor. Dies können ganz unterschiedliche Inhalte sein. Eine neue Spieltechnik erlernen, ein neues Stück oder ein Teil davon beherrschen, das nächste Schülerkonzert, Jugend musiziert usw. sind greifbare Ziele, auf die es sich hinzuarbeiten lohnt. Schüler*innen, die die Wechselwirkung zwischen persönlicher Anstrengung und Erfolg erkannt haben, sind sicher bereit über einen längeren Zeitraum auf ein gestecktes Ziel hinzuarbeiten. Bei jüngeren Schüler*innen ist die Frustrationstoleranz hingegen deutlich niedriger. Hier sollte man inhaltliche Anforderungen und zu bewältigende Zeiträume bewusst niedriger halten, damit ein weiterer wichtiger Motivationsgrund gegeben ist: Der Erfolg!
Erfolg
Auf eine Anstrengung sollte unbedingt ein Erfolgserlebnis folgen. Die Freude über ein erreichtes Ziel setzt die notwendige Energie und eine erhöhte Bereitschaft für weitere Anstrengungen frei. Im Optimalfall wird auf diese Weise eine Erfolgsspirale in Gang gesetzt, in der auf eine Phase des Übens und der Anstrengung der Erfolg eintritt. Wie Schüler*innen einen Erfolg erleben ist sehr unterschiedlich. Kleinere Kinder sind meist noch sehr außengesteuert und nehmen den Erfolg insbesondere an der positiven Reaktion ihrer Umwelt wahr. Bei älteren Schüler*innen ist Lob und Anerkennung von außen zwar auch noch sehr wichtig, zunehmend folgen sie aber ihren eigenen Zielen und nehmen selbst wahr, wann eine Aufgabe oder ein selbstgestecktes Ziel erfolgreich bewältigt wurde.
Inhalte
Die Wahl der Inhalte entscheidet selbstverständlich sehr wesentlich darüber, mit welcher Freude und mit welchem Einsatz die/der Schüler*in am Unterricht teilnimmt. Nicht jeder Wunsch von Schüler*innenkann immer sofort erfüllt werden. Manches gewünschte Stück ist evtl. noch zu schwer, eignet sich nicht für die Umsetzung auf der Gitarre o.ä.. Trotzdem sollte sich die Lehrperson bei der Auswahl der Literatur unbedingt an vorhandenen Wünschen und Bedürfnissen der Schüler*innen orientieren. So ist es meist möglich, sich ähnliche klingender Literatur mit geringerem Schwierigkeitsgrad zu widmen, wenn das eigentlich gewünschte Stück dem Leistungsstand der/des Schüler*in noch nicht entspricht.
3. Wie viel üben?
Genauso wie die Lerninhalte klar definiert sein müssen, sollte auch die Übezeit von der Lehrperson klar benannt werden. Wie viel geübt werden sollte hängt im Wesentlichen von Alter, Leistungsstand und Ziel der/des Schüler*in ab. Bei Kindern, die gerade mit dem Unterricht begonnen haben, reichen schon einige Minuten täglich. Schüler*innen mit höheren Ambitionen, die z.B. auf ein Studium bzw. auf eine Aufnahmeprüfung hinarbeiten, müssen die Bereitschaft mitbringen auch mehrere Stunden am Instrument zu verbringen. Hierbei sollte auf regelmäßige Pausen geachtet werden, da die Fähigkeit sich zu konzentrieren in der Regel nur 35 Minuten umfasst. Darauf sollte unbedingt eine Regenerationsphase folgen. Die Häufigkeit des Übens ist wichtiger als die Dauer. Mehrere über den Tag verteilte Übeeinheiten sind deutlich effektiver als ununterbrochenes stundenlanges Üben.
4. Äußere Bedingungen
Auch äußere Bedingungen können die Intensität des Übens beeinflussen. Ein schlechtes oder der Körpergröße nicht angemessenes Instrument kann das Spiel unnötig erschweren. Auch zu alte Saiten, eine schlechte Sitzgelegenheit, eine unruhige Umgebung usw. wirken sich negativ auf Motivation und Lernerfolg aus. Es sollte regelmäßig überprüft werden, ob folgende Vorraussetzungen erfüllt werden:
- Ist ein ruhiger Raum vorhanden, in dem konzentriertes Üben möglich ist?
- Gibt es eine adäquate Sitzgelegenheit? Ein Stuhl ohne Armlehne mit gerader Sitzfläche.
- Ist die/derr Schüler*in im Besitz einer Fußbank oder einer entsprechenden Gitarrenstütze, die eine günstige Haltung des Instruments gewährleistet?
- Verfügt die/der Schüler*in über ein funktionstüchtiges Instrument, das ihrer/seiner Körpergröße entspricht, sowie das nötige Zubehör (Ersatzsaiten, Gitarrenkoffer oder –hülle usw.)?
- Sind die nötigen Unterrichtsmaterialien (z.B. Notenständer, Noten, Gitarrenschule, Metronom) vorhanden?
- Schüler*innen, die mit Nagelanschlag spielen sollten zudem auf die Pflege Ihrer Nägel achten, um überhaupt einen tonlich befriedigenden Klang erzeugen zu können. Auch hierzu müssen die nötigen Werkzeuge wie Feile und sehr feines Schleifpapier vorhanden sein.
5. Die Rolle der Eltern
Lehrer*innen vermitteln spieltechnische und musikalische Fertigkeiten, definieren Übeinhalte und die Dauer des Übens, setzen Ziele und Zwischenziele, kümmern sich um das gewünschte Noten- und Unterrichtsmaterial usw. und sorgt so für die pädagogische und methodische Basis. Ihr Einfluss auf die Umsetzung ihrer Vorgaben ist allerdings nur sehr begrenzt. Hier fällt den Eltern eine ganz wichtige Rolle zu, da nur sie täglich im Kontakt zu Ihren Kindern stehen und so einen Einfluss darauf haben, ob auch regelmäßig geübt wird. Im Folgenden sollen Möglichkeiten dargestellt werden, wie Eltern ihre Kinder beim erlernen eines Instruments begleiten und unterstützen können.
Interesse zeigen
Kinder werden in ihrem Handeln bestätigt, wenn die Eltern Interesse dafür aufbringen. Dies kann z.B. durch kleine Hauskonzerte vor den Eltern und Geschwistern oder das gemeinsame Üben gezeigt werden. Vielen Kindern gefällt es, wenn die Eltern beim Üben dabei sind und sie z.B. durch mitsingen oder spielen unterstützen. Auch Fragen wie „Was spielst Du da für ein schönes Stück, oder wie spielt man das, kannst Du mir das mal zeigen?“ werten das Tun der Kinder auf. Einigen Kindern gefällt es auch, wenn die Eltern selbst einmal zum Instrument greifen und ausprobieren was ihre Kinder gerade lernen.
Loben
Gerade jüngere Schüler*innen schöpfen ihre Motivation zum großen Teil aus dem Lob ihrer Umwelt. Es gibt auch fast immer etwas Positives und Lobenswertes zu entdecken. Das kann bei der bloßen Tatsache, dass geübt wurde anfangen – „Schön, dass du heute wieder geübt hast“, „Ich finde es immer schön, wenn du Gitarre spielst“ – oder sich auf konkrete Inhalte und Stücke beziehen – „Das Stück, das du gerade übst, klingt aber schön!“.
Verständnis zeigen
Zeigen Sie Verständnis, wenn ihre Kinder einmal in ein Motivationstief geraten. Versuchen Sie sie wieder aufzubauen oder zu trösten, wenn es einmal nicht so vorangeht, wie es sich das Kind wünscht. Sollten Sie das Gefühl haben, dass ihr Kind überfordert ist, dann nehmen sie Kontakt zu seiner/seinem Lehrer*in auf, um sich mit ihm zu besprechen und nötigenfalls mal einen Gang zurück zu schalten.
Erinnern
Oft wird das Üben nicht aus Unlust vermieden, sondern schlichtweg vergessen. Erinnern Sie Ihre Kinder regelmäßig an das Üben. Vermeiden Sie dabei einen ermahnenden Tonfall. Es reicht meist schon die Frage „Hast du heute eigentlich schon Gitarre gespielt?“. Falls Ihr Kind trotz Erinnerung nicht übt, versuchen Sie es nicht zu zwingen. Es sollte auf keinen Fall zu Streitigkeiten kommen die die Lust am Musizieren beeinträchtigen. Sollte Ihr Kind über einen längeren Zeitraum nicht üben, dann halten Sie Rücksprache mit seiner/seinem Lehrer*in, damit sie/er dies gegebenenfalls im Unterricht besprechen kann.
Begleiten, nicht kontrollieren
Versuchen Sie unbedingt jede inhaltliche Kritik in negativem Sinne zu vermeiden. Ihre Kinder sollen Sie als stützende Begleitung und nicht als Kontrollinstanz erleben. Sollten Sie einmal das Gefühl haben, dass Ihr Kind keine Fortschritte macht, etwas dauerhaft falsch macht, nur schräge Töne produziert o.ä., dann überlassen Sie die notwendige Korrektur der Lehrperson. Tritt keine Verbesserung ein, dann halten Sie Rücksprache mit ihr.
Üben in den Tagesablauf integrieren
Besonders gut ist es, wenn das Üben in den Tagesablauf des Kindes fest integriert ist. Es kann so zu einem täglichen Ritual bzw. zur Normalität werden. Vereinbaren sie feste Übezeiten mit Ihren Kindern. Besonders gut eigen sich hiefür die Zeiträume vor als unangenehm empfundenen Tätigkeiten. Viele Kinder freuen sich z.B. wenn Sie statt sofort ins Bett gehen zu müssen noch zehn Minuten Gitarre spielen dürfen.
Motivieren durch Alltagspräsenz von Musik
Die tägliche Auseinandersetzung mit dem Instrument fällt den Kindern naturgemäß am leichtesten, wenn diese als spielerisch empfunden wird. Die Präsenz von Musik im Alltag kann hier eine wichtige Rolle spielen. Gemeinsames Singen und Musizieren mit den Eltern, Musikhören und Konzertbesuche steigern die Freude und Motivation der Kinder am Musizieren.
Äußere Bedingungen schaffen
Wie schon dargelegt, müssen für das effektive Üben eine Reihe von äußeren Rahmenbedingungen gegeben sein. Gerade bei jüngeren Schüler*innen sind besonders die Eltern dafür verantwortlich, dass diese erfüllt werden
6. Was üben?
Generell gilt: „Übe das, was du noch nicht kannst“. Dinge, die schon beherrscht werden und verinnerlicht sind, müssen nicht mehr geübt werden. Oft verliert man sich darin, Stücke oder Teile eines Stückes endlos zu wiederholen, die schon ausreichend beherrscht werden. Natürlich soll man sich an seinem Können erfreuen, dies sollte aber nicht das konstruktive Üben behindern.
Hier hilft es, wenn die tägliche Übezeit klar in eine Übe- und in eine Spielphase unterteilt wird. Nach zwanzig Minuten üben, folgt z.B. eine Spielphase in der man alte Stücke herausholt, improvisiert, oder vom Blatt spielt.
„Zeit am Instrument ist nicht nur Übzeit! Der Schüler soll sich auch seiner erworbenen Fähigkeiten freuen und mal ganz einfach loslegen können. ‘Wir feiern was wir können, und lernen stets Neues dazu.’ Das Lernen ist wichtig, das Feiern nicht weniger.“ Francis Schneider
7. Wie üben?
Genauso wie man im Instrumentalunterricht die nötigen spieltechnischen und musikalischen Fähigkeiten erlernt, sollten auch Strategien zur Problemlösung und Übetechniken sukzessive im Unterricht vermittelt werden. Nur so ebnet man der/dem Schüler*in den Weg in die Selbstständigkeit und macht sie/ihn von der Lehrperson unabhängig.
Auch das Üben muss geübt bzw. erlernt werden. Welche Techniken sich als jeweils sinnvoll erweisen ist genauso unterschiedlich, wie sich die einzelnen Schülerpersönlichkeiten voneinander unterscheiden. Dies zeigt sich gerade im elementaren Bereich. Die eine Schülerin nähert sich lieber über das Zählen dem Rhythmus, der andere Schüler bevorzugt Bewegungsspiele. Auf alle Techniken hier im Einzelnen einzugehen, würde den Rahmen dieser Ausführungen sprengen. Wer auf der Suche nach speziellen Anregungen ist, der sei auf die folgenden Literaturtipps verwiesen. Insbesondere das Buch „Üben – was ist das eigentlich?“ von Francis Schneider sei allen Leser*innen ans Herz gelegt.
Literatur:
- Alfred Eickhold, Mathias Kijewski, Dieter Kreidler, Anke Leppen, Barbara Petzold, Joachim Sieper und Jürgen Sonnenschein: „Los geht’s! – Eine Gitarrenschule für Kinder“ – Unterrichtshandbuch, Schott Verlag 1993.
- Francis Schneider: „Üben – was ist das eigentlich?“, Musikedition Nepomuk, Aarau (Schweiz) 1994.
- Ulrich Mahlert (Hrsg.): „Spielen und Unterrichten“, Schott Verlag 1997
Gerhard Mantel: „Cello üben – Eine Methodik des Übens für Streicher“, Schott Verlag 1987. - Konrad Ragossnig: „Anleitung zum täglichen Üben“; aus Handbuch der Gitarre und Laute, Schott Verlag 1978.
- Barry Green W. Timothy Gallwey: “Der Mozart in uns (The inner Game of music)“, Verlag im Waldgut, Frauenfeld 1993.
- Martin Gellrich: “Üben mit Lis(z)t”, Verlag im Waldgut, 1992.
- Christian Moritz: „Mentales Training in der Übepraxis – Diskussion verschiedener Methoden und Vorstellung und Entwicklung zu gezielten instrumentalen Themen“, Schriftliche Arbeit im Rahmen des DML-Studienganges am Hamburger Konservatorium, 1999.
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