Guitaromanie – den Begriff gibt es wirklich. Er beschreibt ein Phänomen, das zum ersten Mal zu Beginn des 19. Jahrhunderts auftauchte, als die Lust auf das Gitarrenspiel wie eine Seuche um sich griff – der „Bazillus chitaralis“, die „Gitarritis“.
Das Buch “Guitaromanie – Kleines Panoptikum der Gitarre von Allix bis Zappa” von Stefan Hackl beleuchtet die drei Zeiträume, in denen die Gitarre zu einem besonders populären Instrument avancierte und erlaubt sich Ausflüge in Geschichten, Anekdoten und Neuigkeiten. Den Abschluss bildet ein Anhang voller zusätzlicher Informationen und Bilder.
Das verachtete Instrument
Die Gitarre und ihre professionellen Spieler hatten es von jeher nicht leicht in der Gesellschaft, das beleuchtet Hackl in seinem ersten Kapitel. Von „Dilettantenunterhaltung“, von „schrumpen“ und „wegen ihrer Unvollkommenheit fast nicht mehr bräuchlichen Instrumenta“ ist da die Rede. Auch wird erzählt von einem Gitarristen, der wegen der Erfindung einer „Gitarrenspielmaschine“ unfreiwillig das Zeitliche segnen musste.
Guitaromanie
Aller Kritik und abfälligen Bemerkungen zum Trotz brach Anfang des 19. Jahrhunderts die erste Guitaromanie aus. Hierbei waren es vor allem die Amateure, die dem Instrument verfielen, wie Hackl erklärt, und ganz besonders die Damenwelt. Die Gitarre wurde zum Modeaccessoire und einer weiblichen Tugend gleichermaßen. Für Frauen wurden kleinere Modelle gebaut und eigene Lehrwerke komponiert.
Der Kult um die Gitarre teilte das Schicksal vieler Trends und erstarb Mitte des 19. Jahrhunderts. Hackl zitiert in diesem Zusammenhang passend die Rezension eines Konzertes von J.K. Merz aus der Allgemeinen Wiener Musikzeitung von 1843/44: „Mit dem Interesse an das Instrument musste natürlich auch das an dessen Virtuosen schwinden, und der leere Saal bei dem heutigen Concerte ist Bürge für die Richtigkeit der Behauptung“.
Die zweite Guitaromanie
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts blühte die Guitaromanie erneut auf. Ein Gitarristenverband, eine deutschsprachige Fachzeitschrift und diverse Zupforchester entstanden.
„Im Zuge der Wandervogelbewegung erlangte die Gitarre zwar eine breite Basis wie noch nie zuvor, geriet aber wiederum in den Dunstkreis des Dilettantismus. Im Sog der spanischen Virtuosen um Miguel Llobet, Andrés Segovia und Emilio Pujol entstand nun eine neue Bewegung des ‚künstlerischen‘ Gitarrenspiels, die sich von der primitiven Klampferei abzusetzen bestrebt war“, so fasst Hackl die zweite Guitaromanie zusammen.
Die dritte Guitaromanie
In den 1930er Jahren war die zweite Guitaromanie zwar wieder passé, aber ein weiterer Hype flammte in den 1960er Jahren auf. „Obwohl der wichtigste Faktor der neuen Guitaromanie die Popularmusik war, brachte es auch die klassische Gitarre zu einer noch nie dagewesenen Verbreitung. Und wie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wollten sich seriöse Musiker vom klampfenden Pöbel absetzen.“, so Hackl zur dritten Guitaromanie.
Der Anhang lässt Raum für interessante Entdeckungen zur Gitarre, die der Haupttext nicht fassen konnte. Etwa zum Sexappeal der Gitarre, zur Gitarre in Prosa und Poesie und zur Darstellung von Kuriositäten aus der Gitarrenwelt.
Stefan Hackl bezeichnet sein Buch als kleines Panoptikum, übersetzt etwa Kuriositätenkabinett, aber eigentlich ist es mehr als das. Liebevoll recherchiert und humorvoll erzählt, lässt er die Stimmen zum Gitarrenkult durch die Jahrhunderte aufleben, illustriert durch eine Vielzahl an interessanten Darstellungen. Das Buch ist ebenso informativ wie erheiternd, kurzweilig in Umfang und Schreibstil. Ein kleiner Schatz für all diejenigen, die sich mit dem Instrument verbunden fühlen.
„Guitaromanie – Kleines Panoptikum der Gitarre von Allix bis Zappa“ ist im Eigenverlag erschienen und kann unter anderem über Amazon erworben werden.
ISBN: 978-3-200-04484-5
Stefan Hackl, geboren 1954, ist Lehrer am Tiroler Landeskonservatorium Innsbruck, am Mozarteum Salzburg/Innsbruck und an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien. Er verfasste mehrere Bücher zur Gitarre, Zeitschriftenbeiträge und Notenausgaben.