GitarreKonkret spricht mit Hans Wilhelm Kaufmann, dem Gründer und künstlerischen Leiter der Rotenburger Gitarrenwoche, über das Festival, seinen besonderen Schwerpunkt in diesem Jahr und über Motivation, Durchhaltevermögen und darüber, wie man angemessen ein Jubiläum begeht.
GitarreKonkret: Hans Wilhelm, du hast die Rotenburger Gitarrenwoche 1982 gemeinsam mit Grant Gustafson gegründet. Was war damals eure Motivation, ein solches Festival ins Leben zu rufen?
Hans Wilhelm Kaufmann: Die Idee stammte ursprünglich von mir. Als 14-jähriger war ich das erste Mal auf einem Gitarrenkurs. Das war 1968 und danach bin ich jedes Jahr zwei Mal zu Kurswochen gefahren. Sie haben mich musikalisch und menschlich stark geprägt, deshalb wollte ich selbst eine Gitarrenwoche gründen. Irgendwann in den Siebzigern lernte ich Grant Gustafson bei einem Gitarrenfestival kennen. Wir wurden schnell Freunde und da er Anfang der Achtziger Gitarrenlehrer an der Musikschule Herford war, war er für mich der ideale Partner, um die Rotenburger Gitarrenwoche zu gründen.
GK: Die Rotenburger Gitarrenwoche hat 2017 ihr 35jähriges Bestehen gefeiert, erst einmal herzlichen Glückwunsch hierzu. Was ist das Erfolgsgeheimnis für ein so langes Festivalleben? Was treibt dich persönlich als künstlerischer Leiter Jahr für Jahr an?
HWK: Ich glaube das Wichtigste ist, dass mir die Arbeit als Organisator wirklich viel Freude macht. Ich finde es toll, Menschen zu begegnen, die extra anreisen und lernen wollen. Acht Tage lang können wir uns aufs Gitarrenspiel konzentrieren und brauchen uns um keine Alltagstätigkeiten zu kümmern. Das ist herrlich! Aber Emotion und Idealismus reichen nicht alleine aus: Ich werbe jedes Jahr für den Kurs, als wäre es meine allererste Veranstaltung. Ich versuche ständig, neue Teilnehmer*innen zu gewinnen. Ich habe andere Kurse erlebt, die hervorragend liefen, so dass alle gerne wiederkommen wollten, bis am Ende nur noch “Wiederholer*innen” dabei waren. Plötzlich blieben sie alle auf einmal weg, da war es zu spät, sich um neue zu kümmern.
GK: Wie habt ihr denn das Jubiläum gefeiert?
HWK: Wir haben schon einige Jubiläen gefeiert. Legendär war die “Lange Gitarrennacht” mit über 20 Künstler*innen, die alle mit der Rotenburger Gitarrenwoche verbunden waren. Das kann man schlecht wiederholen. Deswegen haben wir diesmal einen Komponisten eingeladen, ein Konzert für Gitarre und Gitarrenorchester zu schreiben und es mit uns aufzuführen. Luis Manuel Molina, ein kubanischer Gitarrist und Komponist, der uns seit vielen Jahren begleitet, hat dann für uns das “Concierto de Rotenburg” geschrieben, das wir am Ende der Gitarrenwoche 2017 uraufgeführt haben. Das war ein tolles Ereignis.
GK: Wenn man sich für die Rotenburger Gitarrenwoche anmeldet, was erwartet einen dort?
HWK: Viele der Teilnehmer*innen, die zum ersten Mal dabei sind, haben die Befürchtung, dass sie womöglich nicht gut genug spielen. Es dauert nur ein, zwei Tage, bis sie merken, dass alle freundschaftlich aufgenommen werden. Wenn ich die Gitarrenwoche in einer Schlagzeile zusammenfassen soll, würde ich sagen “being together” – wir wollen gemeinsam Musik machen, so wie das zu Hause oft nicht möglich ist. Vormittags gibt es zwar Einzelunterricht, aber schon der Nachmittag ist der Kammermusik gewidmet. Wir bilden Gruppen mit vorbereiteten Werken oder manchmal bringen Teilnehmer*innen auch selbst Werke mit. Abends proben wir dann alle zusammen im Gitarrenorchester und bereiten das Abschlusskonzert vor.
GK: Ein Gitarrenfestival über 3 Jahrzehnte, was hat sich so über die Jahre verändert?
HWK: Wir haben 1982 recht bescheiden angefangen. Wir waren nur zwei Dozenten – Grant Gustafson und ich. Dann kam noch Dirk Lemmermann dazu und ein paar Jahren später luden wir die ersten Gastdozent*innen ein. Danach fühlten wir uns ermutigt, auch aus dem Ausland Künstler*innen einzuladen und Konzerte zu organisieren. Als wir genügend Erfahrung hatten, fanden wir auch den Mut, mit den Teilnehmer*innen öffentlich aufzutreten. Immer wieder wurde das Festival ein klein wenig weiterentwickelt.
GK: 2018 hat das Festival einen Schwerpunkt. Warum konzentriert es sich auf Frauen in der Gitarrenszene?
HWK: Wir hatten schon ab und zu einen thematischen Schwerpunkt: Spanien zum Beispiel oder Lateinamerika. Das Schwerpunktthema “Frauen” entstand zufällig: Bei einem anderen Festival, bei dem ich Mit-Organisator war, standen als Gäste einmal zufällig “nur” Frauen zur Diskussion. Ein Kollege meinte, das sei nicht gut, besser wäre eine paritätische Besetzung. Komisch, auf die Idee war niemand gekommen, als in den Jahren zuvor “nur” männliche Künstler zur Diskussion standen. Da dachte ich mir, dieses Jahr mache ich einmal ein Festival nur mit Künstlerinnen, ohne dabei allzu dogmatisch zu werden.
GK: Welche Reaktionen gab es bislang zu diesem Schwerpunkt?
HWK: Es gibt noch nicht wirklich viele Reaktionen, zumal ich das auch nicht an die große Glocke hänge. Wir laden einfach dieses Mal Künstlerinnen ein und das ist gut so. Aber wenn ich Kollegen davon erzähle, ist die Reaktion immer gleich: “Das ist nicht gerecht!” Das sagte niemand, als wir nur männliche Dozenten hatten. Mein Ziel ist es, dass alles normal und üblich wird: nur Frauen, nur Männer oder gerne auch gemischt. Entscheidend ist, dass die Gäste zum Konzept der Gitarrenwoche passen.
GK: Wer sind deine Gäste im Sommer 2018?
HWK: Unsere Gastdozentinnen werden Raphaëlla Smits aus Belgien und Margarita Escarpa aus Spanien sein, die beide schon mehrfach auf der Gitarrenwoche waren und wunderbare Menschen sind: großartige Gitarristinnen und intensive, engagierte Pädagoginnen. Dazu haben wir noch zwei Preisträgerinnen vom “Budapaest International Guitar Competition”, die von uns ein Stipendium als beste weibliche Teilnehmerinnen bekamen: Jessica Kaiser aus Deutschland und Lotti Szalai aus Ungarn.
GK: Du lädst Gitarristinnen und Gitarrenbauerinnen ein, aber auch die Orchesterwerke sind von Komponistinnen geschrieben. Wie schwer war es, hier Literatur zu finden?
HWK: Es ist immer noch schwer. Favorit ist eine Komposition – “Niutao für Gitarrenorchester” – von Violeta Dinescu, die ich sehr schätze. Aber ich muss noch prüfen, ob wir das mit den Teilnehmer*innen in den wenigen Tagen schaffen. Für ein weiteres Werk habe ich mich noch nicht entschieden.
GK: Hans Wilhelm, herzlichen Dank für das Gespräch!
Hans Wilhelm Kaufmann ist Gründer und künstlerischer Leiter der Rotenburger Gitarrenwoche. Er unterrichtet privat sowie an der Hochschule für Künste in Bremen Studenten im Hauptfach Gitarre und darüber hinaus die Fächer Methodik des Gitarrenunterrichts und Relative Solmisation. Als Solist und Mitglied im “Neuen KammerTrio” konzertiert er in vielen Ländern. Er ist regelmäßig Juror internationaler Gitarrenwettbewerbe.
Seit 36 Jahren bietet die Rotenburger Gitarrenwoche im Sommer ihren Teilnehmer*innen einen Kurs in familiärer Atmosphäre mit exzellenten Dozenten an. Auf dem Kursplan stehen Einzelunterricht, Kammermusik, Gitarrenorchester und die Internationalen Sommerkonzerte. Die diesjährige Kurswoche findet vom 28.7.2018 bis 5.8.2018 statt. Weitere Informationen bietet die Internetseite. Die Anmeldung erfolgt unter folgendem Link. Wer sich bis zum 1. Mai 2018 anmeldet, erhält 10% Rabatt auf die Kursgebühr.