Dass der in Tunis geborene und in Frankreich lebende Komponist Roland Dyens auf ganz hervorragende Art und Weise Klischees verarbeiten kann, ist spätestens seit seinem Hit “Tango en Skai” allgemein bekannt. In seinen Bearbeitungen von fünf französischen Chansons “Five French Chansons Adaptions” beweist er dies aufs Neue. Für die musikalische Umsetzung kann er sich eigentlich keinen geeigneteren Interpreten als Augustin Wiedemann wünschen.
Wiedemann bringt alles mit, was an spieltechnischen und musikalischen Voraussetzungen für die Wiedergabe solchen Repertoires vonnöten ist. Besonders seine Nähe zur populären Musik prädestiniert diesen Gitarristen geradezu für die Interpretation dieser Stücke. Seine musikalische Vielseitigkeit, mit der er schon so manche stilistische Grenze überschritten hat, gibt ihm dabei genau das richtige Gespür für Phrasierung und Timing. Dies gilt auch für die übrigen Kompositionen dieser Einspielung, die allesamt aus den 90’er Jahren stammen und in deutlicher Beziehung zum Jazz stehen. Da singt, swingt und groovt es! Parfümierte, jazzige Akkorde erscheinen mit absoluter Transparenz. Wunderbar der Walking Bass in dem Titel “Ile de Ré”, bei dem man sofort einen Kontrabass assoziiert, während gleichzeitig in der Oberstimme ein Solo erklingt. Und immer wieder diese herrlichen, singenden Melodien – egal in welcher Lage und auf welcher Saite – denen Wiedemann mitunter eine ganz eigenartige Subtilität verleiht. An manchen Stellen glaubt man fast eine Jazzgitarre zu hören. Die Synthese der – vom Charakter her – jazzigen Kompositionen mit der ausgeprägten klassischen Spielkultur und dem intellektuellen Verständnis des Interpreten Wiedemann gelingt insbesondere durch die variantenreiche Tongebung und Artikulation vortrefflich.
Die viersätzige “Jazzsonata” von Dusan Bogdanovic verbindet die klassische Sonatenform mit der Melodik und Harmonik des Jazz und zahlreichen anderen außereuropäischen Einflüssen. Dieses Werk, bei dessen Wiedergabe sich Augustin Wiedemann einmal mehr als wahrer Klangzauberer erweist, wird sicher seinen festen Platz in der Gitarrenliteratur erhalten.
Alle weiteren Titel der CD sind Weltersteinspielungen und stammen von dem Wiener Komponisten und Arrangeur Helmut Jasbar. Dieser hat sich an die Bearbeitung des Police-Klassikers “Message in a Bottle” herangetraut. “Geht das?”, wird sich jetzt ein großer Teil der Leserschaft fragen. Ja, das geht! Wenn man sich, wie Jasbar es tut, nicht minutiös an die Vorgaben des Originals hält. Bei der Bearbeitung hat er sich an den eher balladesken Soloversionen von Sting orientiert. Dabei ist ein ganz eigenständiges Stück Musik für die Gitarre herausgekommen. Zu Recht äußert Wiedemann im Booklet der CD die Vermutung, dass wahrscheinlich auch Sting diese Bearbeitung gefallen würde. Dies dürfte ebenso auf Augustin Wiedemanns Interpretation zutreffen. Auch bei dieser Aufnahme profitiert er von seiner enormen gitarristischen und musikalischen Vielseitigkeit. Er klingt dabei immer authentisch und wirkt nie wie ein Klassiker, der sich auch einmal an populärem Repertoire versucht.
Den Abschluss bildet das sechssätzige Werk “4 Miles 2 Davis” von Helmut Jasbar, in dem der Komponist Themen des Jazz-Trompeters Miles Davis verarbeitet hat. Helmut Jasbar schrieb selbst über sein Werk: “Ich habe verschiedene Themen von Mr. Davis miteinander verzahnt, und da keines von ihnen jemals frei in seiner ursprünglichen Gestalt erklingen kann, ist es als würden sie die Abwesenheit Ihres Schöpfers betrauern.”
Wiedemann gelingt es stets seine Zuhörer zu fesseln. Schon die Aufnahmen der CD lassen auf eine ungemein hingebungsvolle Spielweise schließen. Die kontrastreiche Tongebung und die schöne Balance zwischen sensibler Weichheit und virtuosem Esprit wird niemanden kalt lassen. Durch die ungewöhnliche Repertoireauswahl und exzellente Interpretation ist diese CD eine wahre Bereicherung und macht Lust auf mehr!