Der Fingerstyle-Gitarrist Ulli Bögershausen hat sich in den letzten Jahren einen exzellenten Ruf als Instrumentalist, Komponist und Verfasser von Lehrbüchern geschaffen. Ich freue mich, dass er sich trotz seiner vielfältigen Tätigkeit die Zeit für ein Interview mit GitarreHamburg.de genommen hat.
Das Interview führte Christian Moritz.
Christian Moritz: Wie wird man Fingerstyle-Gitarrist, bzw. wie hat sich Deine Liebe zu dieser Musik entwickelt?
Ulli Bögershausen: Ich bin zunächst als E-Gitarrist in Bands angefangen. Da bist Du aber immer von anderen abhängig, einer steigt aus, der andere zeigt zu wenig Engagement usw. Irgendwann wollte ich mich selbst allein musikalisch ausdrücken können. Dann hörte ich ca. 1973 zum ersten Mal Leo Kottke und dachte wow! das ist es. Ich habe mir eine 12-saitige Gitarre gekauft. (Für 280,- DM, das weiß ich noch) und habe versucht, Sachen abzuhören, habe das Bottle-Neck-Spiel geübt usw. Literatur gab es zu der Zeit praktisch noch überhaupt nicht. Aber diese Musik hatte soviel Power, eben fast wie eine Rockband. Das hat mich magisch angezogen.
C. M.: Gibt es musikalische Vorbilder?
U. B.: Neben Kottke lange Zeit nichts, später entdeckte ich Alex de Grassi, John Renbourn. Aber da war ich (so um 1980) auch selbst schon recht weit und habe sie schon eher als die erfolgreichen Kollegen betrachtet und mich selbst als Newcomer.
C. M.: Was kann die Gitarre, was andere Instrumente nicht können?
U. B.: Die Gitarre ist ein Harmonieinstrument. Du kannst Melodien spielen und Dich gleichzeitig begleiten. Das geht auf dem Klavier auch, aber letzteres lässt sich schlechter tragen.
Rückfrage: Kennst Du ein anderes Instrument auf dem die Persönlichkeit des Spielers so stark durchscheint? Du kannst halt unwahrscheinlich viel machen im Bereich Tonbildung, perkussiver Rhythmik. Allein schon der Unterschied zwischen Stahl- und Nylonsaite. Und Du kannst das alles ausprobieren, während Du zuhause im Sofa sitzt oder auf dem Hotelbett, sogar in der Bahn, wenn das Abteil leer ist.
C. M.: Durch die CD “Ageless Guitarsolos” bist Du einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Kannst Du grob umreißen, was sich seitdem an Deinem Spiel und an Deiner Musik verändert hat?
U. B.: Diese CD war wie ein Booster in meiner Laufbahn, auch international. Die CD wurde häufig zunächst wegen des Repertoires gekauft, dann erst wurde der Spieler dahinter entdeckt. Ich habe während der Aufnahmezeit sehr viel gelernt. Sauberes Spiel, wenig Nebengeräusche, die unterschiedlichen Stile anderer Gitarristen entdeckt. Ich habe aber auch gelernt, dass es Sinn macht ein Konzept für ein Album zu haben, nicht nur Stücke zu sammeln. Dass es darauf ankommt, dem Ganzen eine Atmosphäre zu geben. Eine CD in einer bestimmten Stimmung (mood nicht tuning) durchhörbar zu machen. Der Erfolg hat mich natürlich auch sicherer gemacht. Nach der CD wusste ich, wie ich klingen wollte. Jetzt arbeite ich daran, auch meinen eigenen Kompositionen ähnlich viel Gehör zu verschaffen.
C. M.: Wie entstehen Deine Kompositionen?
U. B.: Mal so mal so. Meistens aus der Improvisation auf dem schon erwähnten heimischen Sofa heraus. Ich setze mich dann allerdings hin und arbeite ein Stück Note für Note aus und schreibe alles auf.
C. M.: Lässt Du Dich viel von außermusikalischen Einflüssen inspirieren?
U. B.: Sicher! Von Gefühlen, auch von Natureindrücken.
C. M.: Viele Fingerstyle Gitarristen sind Autodidakten, trifft das auch auf Dich zu?
U. B.: Jein. Ich hatte als Kind (von 9 bis 14 ) klassischen Unterricht. Später habe ich ein Musiklehrerstudium angefangen, allerdings nie abgeschlossen. Da liefen schon die ersten Platten von mir und ich bin in den 80er Jahren viel aufgetreten.
C. M.: Welche Beziehung hast Du zur klassischen Musik?
U. B.: Eine respektvolle, aber nicht sehr intensive. Ich brauche Groove. Durch Reinhold Westerheide (er hat ja ein Solistendiplom für Gitarre) bin ich natürlich einigermaßen auf dem Laufenden. Mit dem Herzen bin ich aber nur dabei, wenn der Rhythmus stimmt.
C. M.: Benutzt Du Picks zum Anschlagen der Saiten?
U. B.: Nur einen Daumenring. Er ermöglicht mit, die rechte Handkante so in der Nähe des Steges anlegen zu können, dass ich abgedämpft (perkussiv) spielen kann.
C. M.: Was für Equipment benutzt Du bei Deinen Auftritten?
U. B.: Lakewood D-54 Cut, B-Band Core 99 Pickup/ Mikrofon Stereo-System, AER Acoustic Cube & Bassbox, AER CX 8 Aktivboxen.
C. M.: Neben Deiner musikalischen Tätigkeit bist Du auch Dozent von Gitarrenkursen. Was vermittelst Du den Teilnehmern dabei?
U. B.: Da füge ich hier am besten mal mein Workshopinfo ein:
Der Weg zum Fingerpicking Solospiel am Beispiel bekannter Titel von Kottke, Lämmerhirt, Davey Graham u.a.m. Die meisten GitarristInnen kennen einige Zupfmuster (Patterns), mit denen sie einen Akkord “zerlegt” zupfen, anstatt ihn anzuschlagen. Die rechte Hand spielt also dabei meistens das gleiche Muster, während die linke Hand die Akkorde wechselt. Der Sprung zum instrumentalen Solospiel, in dem Melodie und Bass ein scheinbar von einander unabhängiges Eigenleben führen, erscheint unüberwindbar. Doch auch hinter dem ausgefeiltesten Instrumentalspiel lässt sich ein System erkennen, dessen Grundprinzip in diesem Workshop detailgenau verraten wird. Im Schwierigkeitsgrad ansteigende kleine Übungen werden in Zeitlupe vorgespielt und können – notiert als Tabulatur – später zuhause geübt werden. Sie führen Schritt für Schritt tiefer in die Geheimnisse des Fingerpicking-Solospiels. Präzises Auszählen einzelner Takte, rhythmische Übungen, Analyse von Zupf- und Anschlagtechniken sind wesentliche Inhalte des Workshops. Gegen Ende des Workshops wird das neue Wissen noch auf ein ‘Open Tuning’ angewandt.
C. M.: Welche Notationsform hältst Du für praktikabler? Tabulatur oder Standardnotation?
U. B.: Beides gleichzeitig soweit Standardtuning. Nach TAB läßt es sich leichter spielen, die Noten zeigen harmonische Zusammenhänge auf und bieten präzisere Spielanweisungen.
C. M.: Wie wichtig ist Dir die Zusammenarbeit mit anderen Musikern?
U. B.: Die mit Reinhold sehr, ansonsten habe ich kaum Gelegenheit. Ich habe ständig viel zu tun, Konzerte, Workshops, CD-Aufnahmen, 7 Gitarrenhefte in 5 Jahren, ab
und zu als Produzent für Laika Records. Da fehlt irgendwie die Muße für lange Sessions. Außerdem sind die Möglichkeiten des Duos noch lange nicht ausgeschöpft. Vielleicht habe ich in 2 Jahren mehr Zeit für neuen Wege. Bis dahin stehen aber “Sologuitar Nr. 2”, eine Weihnachts CD und ein neues Buch an, außerdem werde ich im nächsten Jahr soviel wie nie zuvor auf Tour sein. (u.a. auch Japan und Taiwan).
C. M.: Machst Du auch Studio-Jobs für andere Musiker?
U. B.: Zur Zeit überhaupt nicht. Ich wäre aber prinzipiell interessiert, wenn es mich wirklich reizen würde. Solange ich aber hinreichend beschäftigt bin, halte ich mich diesbezüglich eher bedeckt.
C. M.: Vielen Dank für Deine ausführlichen Antworten und alles Gute für die Zukunft!
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