Vielen Gitarristen ist der Name Fred Torris sicher ein Begriff. Er ist Autor zahlreicher Lehrwerke, die seit 1970 hauptsächlich im Musikverlag Hans Sikorski erschienen sind und nicht nur für die damalige Zeit einige Innovationen enthielten. Neben einer grundlegenden Gitarrenschule für die klassische Gitarre hat Fred Torris zahlreiche Lehrwerke und Spielbücher für so unterschiedliche Bereiche wie Folk, Blues, Pop, Rock, Jazz, Flamenco usw. entwickelt. Leider verstarb Fred Torris 1990 viel zu früh im Alter von erst 62 Jahren. Seine Frau Heidi Altvater hat im Trekel-Verlag gerade zwei bisher unveröffentlichte Lehrwerke von Fred Torris herausgegeben. Im folgenden Gespräch geht es um diese Veröffentlichungen. Zudem erfährt man etwas mehr über die Person Fred Torris und seine Methodik.
Das Interview führte Christian Moritz.
Christian Moritz: Können Sie kurz den musikalischen Werdegang Ihres Mannes Fred Torris umreißen?
Heidi Altvater: Er stammt aus Hamburg. Schon als Jugendlicher beschäftigte er sich mit der Gitarre. Damals nahm er klassischen Unterricht bei dem Violinisten und Gitarristen Willi Meier-Pauselius. Parallel machte er, um Geld zu verdienen, viel Tanzmusik. Dabei ließ er sich von verschiedenen Musikern auch in moderne Stilrichtungen einweisen. Die klassische Gitarre vernachlässigte er jedoch nicht. Später begann er selbst mit dem Unterrichten.
C. M.: Könnte man sagen, dass er eine klassische Ausbildung genossen hat, nebenher aber immer ein Stück Autodidakt geblieben ist?
H. A.: Ja, er war großenteils auch Autodidakt und hat sich gerade die modernen Musikstile wie Folk, Rock und Jazz selbst angeeignet. Früher hatte er u.a. eine Karriere als Sänger angefangen. Da er sich dazu aber schließlich doch nicht berufen fühlte, gab er die Gesangskarriere auf und konzentrierte sich ganz auf die Gitarre. Da es damals noch nicht die Möglichkeit gab, an Institutionen wie der Musikhochschule Gitarre zu studieren, war er natürlich gezwungen, sich vieles selbst anzueignen. Als er anfing zu unterrichten, merkte er sehr schnell, dass geeignetes Unterrichtsmaterial fehlte. Deshalb begann er, zeitgemäße Lehrwerke zu entwickeln. Die ersten Ergebnisse dieser Arbeit waren die beiden Bände “Pop, Folklore, Jazz”, sowie “Pop, Folklore, Jazz – Solo”, die bei Sikorski erschienen.
C. M.: Was war das Hauptziel Ihres Mannes? Gab es so etwas wie eine “methodische Grundidee” in seinen Lehrwerken?
H. A.: Meinem Mann ging es besonders darum, die modernen Stilrichtungen auf der Grundlage der klassischen Spieltechnik zu vermitteln. Viele Schüler hörten Popsongs o.ä. im Radio und wollten die Musik, die ihnen gefiel, natürlich gerne nachspielen. Manche gerieten dann an Lehrer, die ihnen zwar die entsprechenden Griffe und ein paar Schlagmuster zeigten; die mangelnde spieltechnische Basis führte dann aber meistens in eine Sackgasse. Mein Mann wollte die Motivation der Schüler nutzen, ihnen gleichzeitig aber ein solides Fundament mit auf den Weg geben, mit dem sie später auch fähig sein sollten andere, bzw. möglichst alle Stilrichtungen auszuprobieren.
C. M.: War Fred Torris auch immer selbst aktiv als Lehrer tätig?
H. A.: Ja, er hat wie schon gesagt, sehr früh angefangen selbst Unterricht zu geben. Sowohl privat als auch in der Musikschule Dehmel in Hamburg-Eppendorf. Später erhielt er dann Anstellungen an der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg und an der Kreismusikschule Lauenburg. Darüber hinaus leitete er etliche Fortbildungsveranstaltungen an verschiedenen Institutionen, in denen er anderen Gitarrenlehrern seine Methodik und den Umgang mit dem von ihm entwickelten Unterrichtsmaterial vermittelte.
C. M.: Was an dem Unterrichtsmaterial von Fred Torris besonders beeindruckend ist, ist die enorme Stilvielfalt. Bisher wusste ich, dass er sich mit Folk, Blues, Jazz und Pop auseinandergesetzt hat und dafür entsprechendes Unterrichtsmaterial entwarf. Jetzt ist neben einem sehr umfangreichen Jazz-Lehrwerk auch eine Schule für Flamenco im Trekel-Verlag (als pdf-Dokument auf CD-Rom, mit Musikbeispielen, über Multi-Media- bzw. CD-Player zu hören) erschienen.
H. A.: Der Flamenco war eigentlich immer sein Lieblingskind. Wir besaßen eine Wohnung in Spanien und sein großer Wunsch war es, sich im Ruhestand nach Spanien zurückzuziehen und sich ganz dem Flamenco zu widmen, so begeistert war er von dieser Musik. Flamencomusik aufzuschreiben ist ja etwas komplizierter, es gab damals jedenfalls noch wenig notierte Flamencostücke. In den achtziger Jahren genoss der Flamenco in Deutschland auch noch nicht die Popularität, die ihm heute entgegengebracht wird. Immer wenn wir in Spanien waren, lud er irgendwann “Gitanos” ein, die ihre Musik spielten. Währenddessen notierte mein Mann die Noten und Akkorde. Die „Gitanos“ waren immer sehr erstaunt darüber, dass sich ihre Musik in Zeichen übertragen ließ.
C. M.: Also hat er sich sein Wissen über den Flamenco wirklich vor Ort angeeignet.
H. A.: Genau. Alles was er dort an Stücken und Improvisationen hörte, versuchte er zu transkribieren, um es später in eine systematische Reihenfolge zu bringen.
C. M.: Die Auseinandersetzung mit dem Flamenco muss ja schon sehr intensiv gewesen sein. Deutlich umfangreicher ist aber noch sein jetzt auf CD-Rom erschienenes Lehrwerk für Jazzgitarre. Es umfasst über 600 Seiten.
H. A.: Während der Flamenco seine heimliche Liebe war, stellt die Schule für Jazzgitarre die Abrundung seines Lebenswerks dar. Das war eine jahrelange Arbeit, bei der er auf 622 Seiten die spezielle Spiel- und Improvisationstechnik der Jazz- und Jazz/Rockgitarristen systematisch aufgearbeitet hat. Toto Blanke unterstützte ihn dabei mit Improvisationsbeispielen. Dieses Lehrwerk ist meiner Meinung nach sehr vielseitig verwendbar. Man kann es auf den unterschiedlichen Entwicklungsstufen einsetzen. Aufgrund seines Umfangs eignet sich das Buch auch als Nachschlagewerk. Für Musiklehrer bietet die Jazzgitarrenschule zudem gute Orientierungshilfen für einen methodisch sinnvoll aufgebauten Jazzgitarren-Unterricht.
C. M.: Hat Fred Torris selbst Konzerte gegeben?
H. A.: Aufgetreten ist er außer in privatem Rahmen eigentlich nicht. Er hat sich sehr schnell ganz seiner pädagogischen Aufgabe verschrieben. Neben seiner Tätigkeit an verschiedenen Musikschulen hat er hauptsächlich an seinen Unterrichtswerken gearbeitet und hier ja auch ein umfangreiches Werk hinterlassen. Dazu hat er regelmäßig Konzerte mit seinen Schülern veranstaltet, die immer die ganze Breite seines Unterrichts zeigten. Das Repertoire erstreckte sich dann chronologisch von Bach und Visée bis hin zu populärer Musik, bei der auch die E-Gitarre zum Einsatz kam. So wurde die ganze Vielfalt der Gitarre gezeigt. Dies darzustellen war meinem Mann immer ein besonderes Anliegen. Bei diesem umfangreichen Arbeitspensum reichte die Zeit nicht mehr, um auch noch eigene Konzertprogramme einzustudieren.
C. M.: Welche Gitarristen hat Fred Torris selbst bewundert?
H. A.: Das war besonders die “alte Garde”, die sein eigenes Spiel stark beeinflusst hat. Wenn Gitarristen wie Bream, Yepes und natürlich Segovia nach Hamburg kamen, waren wir immer bei deren Konzerten. Als Jazzgitarristen bewunderte er besonders Django Reinhardt. Doch auch Gitarristen und Nichtgitarristen wie Paco de Lucia, Pat Metheny, Santana, Miles Davis, Chick Corea, Al di Meola, Philipp Catherine, George Benson u.v.m. fanden seine Anerkennung.
C. M.: Wie hat ein normaler Arbeitstag von Fred Torris ausgesehen?
H. A.: Er ist immer sehr früh aufgestanden. Nach dem gemeinsamen Frühstück ging ich zur Arbeit und er widmete sich den Gitarrestudien und der Arbeit an seinen Lehrwerken. Ab mittags unterrichtete er Schüler aller Altersstufen. Abends kam er spät, so zwischen 21:30 Uhr und 22:00 Uhr, nach Hause.
C. M.: Ihr Mann hat schon früh erkannt, dass im Unterricht mit Jugendlichen und Kindern spezielle Instrumente benötigt werden.
H. A.: Auf seine Anregung hin ist sogar ein nach ihm benanntes Jugend-Gitarrenmodell in Zusammenarbeit mit der Firma Hopf entstanden. Dieses Modell hatte eine kürzere Mensur und einen kleineren Korpus und kam mit seinen Proportionen den Jugendlichen etwas entgegen. Das kam wohl noch etwas zu früh. Der Gedanke, dass kleinere Menschen, um problemlos lernen zu können, auch kleinere Instrumente brauchen, die in ihren Proportionen jedoch den Maßen der klassischen Gitarre angepasst waren, war damals noch nicht sehr verbreitet. Deshalb wurden nur sehr wenig Exemplare des “Fred Torris – Modells” hergestellt.
C. M.: Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Weiter Informationen über die Lehrwerke von Fred Torris gibt es auf folgender Web-Site: