Helmut Jasbar ist ein unkonventioneller, freiheitsliebender Mensch der sich jedem Klischee entzieht. Als Gitarrist, Komponist und Bearbeiter hat er sich in den vergangenen 10 Jahren international etabliert. Dabei bewegt er sich in den unterschiedlichsten musikalischen Genres. Das folgende Interview bietet die Möglichkeit mehr über diesen gleichermaßen sympathischen wie vielseitigen Musiker zu erfahren.
Das Interview führte Christian Moritz.
Christian Moritz: Deine musikalische Arbeit ist sehr breit gefächert. Als konzertierender Gitarrist beschränkst Du Dich nicht auf die Wiedergabe des vorhanden Repertoires, sondern bereicherst dieses durch eigene Kompositionen, Transkriptionen und Bearbeitungen. Darüber hinaus bist Du Dozent am Mozarteum, unternimmst Ausflüge in die populäre Musik und bist als Radiomoderator aktiv. Wie schaffst Du das alles? Hast Du nicht manchmal den Wunsch Deine ganze Energie nur auf eine Sache zu konzentrieren?
Helmut Jasbar: Ich habe keine Familie, d.h. keine Kinder, die ja sehr zeitintensiv sind – Für mich haben die erwähnten Betätigungen (bezahlte) ausgleichenden Charakter. Ich mag es, zu moderieren, es ist für mich eine Form von Urlaub. – einfacher als ein gutes Konzert zu spielen. Darüber hinaus brauche ich einen intellektuellen Ausgleich zum Gitarrespiel.
Ich habe nämlich die Erfahrung gemacht, dass für mich allzu einseitige Beschäftigung kontraproduktiv wird, d.h. anstatt ein besserer Musiker zu werden, verschlechtere ich meine Leistungen. (wir wissen von so vielen Musikern, die unter physiologischen und/oder psychischen Problemen leiden, weil sie sich selbst zu sehr als „Roboter“ ihres Instruments behandelt haben… meine nicht gitarristische Arbeit hilft mir, einen objektiven Blick auf die Gitarre zu bewahren und den notwendigen Abstand um meine Entwicklung nicht zu blockieren.
Die Kompositionen bzw. Transkriptionen hingegen sind Teil meiner Arbeit. Ich begreife mich als Zeitgenosse und – unter 7 Anführungszeichen – als “““““““Künstler”““““““, ich möchte gerne einen Beitrag zur Entwicklung der akustischen Gitarre leisten.
C. M.: In der Presse wirst Du gerne als “Paradiesvogel” bezeichnet. Pflegst bzw. magst Du dieses Image?
H. J.: Also ehrlicherweise gesagt bin ich mir nicht sicher, was damit gemeint ist. Ich glaube aber, dass es relativ leicht ist unter Klassischen Geria -äh- Gitarristen als “Paradiesvogel” zu gelten, denn – Hand aufs Herz – das ist ja ein liebenswertes, aber auch sehr schrulliges, verstaubtes Völkchen… 😉
Zusammenfassend: ich betrachte diese Bezeichnung als Kompliment, aber auch etwas zu hoch gegriffen.
C. M.: Du hast ganz hervorragende Bearbeitungen von Stücken wie “Mercy, Mercy, Mercy” von Joe Zawinul oder Message in a Bottle” von Sting geschaffen. Wie entstehen Deine Bearbeitungen, was ist Dir dabei besonders wichtig?
H. J.: Ganz einfach: jede Bearbeitung soll als “echter Jasbar” kenntlich sein. Mein Vorbild hierzu sind sicher die Bearbeitungen großer Komponisten durch andere große Komponisten, die ihre Handschrift in den Bearbeitungen niemals verleugneten. (F. Liszt, M. Ravel, F. Busoni, I. Strawinsky u.v.a.m.). Auch meine Transkriptionen sind vielmehr “Nachdichtungen” oder “Übersetzungen”.
C. M.: Kommen wir auf Deine CDs zu sprechen. Auch diese spiegeln den Facettenreichtum Deiner musikalischen Arbeit wieder. Deine erste CD “Helmut Jasbar Live at the Havana Guitar Festival” ist ein Livemitschnitt eines Konzerts von 1992. Hier stellst Du Deine eigenen Werke “Three American Graffiti”, “No, I Never Wrote a Suite (Moments of Wanderlust)” und Deine Bearbeitung von “Mercy, Mercy, Mercy” vor. Auf der CD kann man sich nicht nur von Deinen musikalischen Fähigkeiten überzeugen. Die Aufnahme gibt auch die Live-Atmosphäre, die knisternde Spannung und die Begeisterung Deiner Zuhörer wieder. Wie hast Du dieses Konzert erlebt?
H. J.: Ein einsamer Höhepunkt. ein Konzert bei dem alles “gepasst” hat. Zudem meine Nase, auf eigene Rechnung einen Techniker mitzunehmen um dieses Konzert aufzunehmen (!). (Es war ja nicht vorhersehbar, das es der Mühe wert sein würde, dieses Konzert aufzuzeichnen.)
C. M.: Würdest Du das Konzert in Havanna als Deinen Durchbruch bezeichnen?
H. J.: Ja.
C. M.: 1993 hast Du dann eine CD veröffentlicht die sich ganz dem Schaffen J. S. Bachs widmet. Auch hier bekommt man nicht das typische Repertoire, sondern von Dir angefertigte Transkriptionen der Cembalo-Tocatten BWV 916, 914 und 912 sowie einer Bachschen Cembalo-Bearbeitung des Adagios von Benedetto Marcello, zu hören. Warum hast Du Dich für diese Stücke entschieden? Was fasziniert Dich an diesen Werken?
H. J.: Dazu sollte man anmerken, dass ich mich damals, Mitte zwanzig, nicht so für die folkloristische/spanische Seite der Gitarre interessiert habe. Meine Idee von Gitarrespiel war McLaughlin/Zappa/Hendrix und diese (spanische) Musik übelster Schwulst. Segovia? Würg!
Daher versuchte ich ein Repertoire aufzubauen, dass sich abseits des Gitarrenkitsches bewegt, nicht zuletzt auch inspiriert durch meinen Lehrer Hubert Käppel.
Mittlerweile habe ich natürlich gelernt, diese strenge Haltung zu mildern und beginne, für mich selbst das Repertoire neu zu entdecken und auch öffentlich zu spielen, hin und wieder ist sogar was spanisches drunter, liegt mir aber nicht so sehr. Auch darin steckt wieder ein gehöriger Schuss Opposition, oder genauer gesagt antizyklisches Verhalten. Wenn alle Gitarristen nur mehr “Gimmicks” a lá Dyens/Domeniconi spielen, dann wird es Zeit für Diabelli, ironisch gesprochen. Frei nach dem Motto: Ein Instrument, dass seine Vergangenheit vergisst, hat auch keine Zukunft.
C. M.: Deine dritte CD “Wahnsinnige Sehnsucht” ist 1997 erschienen. Auf dieser hast Du mit dem “Jasbar Consort” Stücke und Bearbeitungen von Mertz, Schubert und dir selbst eingespielt. Moderne Tonsprache trifft auf Musik der Romantik. Neben solistischer Gitarrenmusik und Liedern ist auch Klaviermusik von Dir zu hören. Was hat Dich zu diesem Projekt inspiriert?
H. J.: Ein Scherz. Ich erfand für eine Radiosendung eine kleine Geschichte über einen Arzt der zu seinem Patienten sagt: “Lieber Herr, sie leiden an einer akuten Form von “Wahnsinniger Sehnsucht”, ich empfehle ihnen eine Weilchen Abstinenz von Wiener Romantik, insbesondere Schubert. Betreiben sie ein bisschen Sport, gehen sie unter Leute. – sonst schreiben sie am Ende noch Gedichte”.
Diese Moderation hat mir im verstockten Hörerkreis des Senders Ärger von empörten Hörern und “Dichtern” eingebracht. Aber: “Wahnsinnige Sehnsucht” als Krankheit der Romantik, das hat was…
So beschloss ich, eine Art Konzeptalbum (wie es in der Popmusik üblich ist) zu machen, das mit der Gefühlswelt des 19. Jahrhunderts spielt.
C. M.: Auf allen CDs spielst Du eine Gitarre von Kolya Panhuyzen. Verwendest Du ausschließlich dieses Instrument?
H. J.: Kolya ist ein hervorragender Gitarrenbauer und ein ganz lieber Freund. Sein Gitarrensound ist ideal für mich. Ich spiele monogam seit 1989 seine Gitarren. Früher eine Fichte, jetzt eine Zeder aus dem Jahre 1998.
C. M.: Du hast in Köln bei Hubert Käppel studiert. Wie wichtig war diese Zeit für Dich?
H. J.: Na ja. Hatte grade eine Phase der Desorientierung und war wohl ein wenig lustlos. Was ich lernen wollte, habe ich mir in den zwei Jahren zuvor bei Meisterkursen von Hubert Käppel angeeignet. Als ich dann endlich (!) in seine Klasse kam, bemerkte ich, wie verschieden wir beide sind und dass ich mich in eine andere Richtung entwickeln sollte.
C. M.: Hubert Käppel wird von vielen als gnadenloser Schleifer charakterisiert. Ist das nur ein Gerücht oder hast Du ihn auch so erlebt?
H. J.: Ich frage mich, wer solche Gerüchte in die Welt setzt. Aber eines kann ich sagen: Er hält mit seiner Meinung über den Studenten nicht hinter dem Berg und schleimt dich niemals voll, nur damit er dich als Schüler halten kann!
Eine unschätzbare Qualität – in Zeiten der gitarristischen Inzucht. Er ist sicherlich kein leicht zu handhabender Mensch, aber das bin ich auch nicht. Vielleicht deshalb habe mich immer gut mit ihm verstanden. Wir sind so verschieden wie Tag und Nacht, das hat vielleicht den gegenseitigen hohen Respekt vor der Persönlichkeit des anderen ermöglicht.
C. M.: Als Dozent am Mozarteum und auf Meisterkursen bist Du selbst pädagogisch tätig. Was ist Dir bei dieser Arbeit wichtig, bzw. was möchtest Du Deinen Schülern mit auf den Weg geben?
H. J.: Augen und Ohren offen halten. Lesen. Die Rolle des Musikers in der Gesellschaft (auch als “Beschöniger”) zu hinterfragen. Verantwortung zu übernehmen für seine Tätigkeit. Auch ein bisschen die Augen und Ohren offen zu halten, wie man ein Publikum für die Gitarre interessieren könnte und nicht zuletzt: Begeisterung und Liebe für das Mysterium “Musik”.
C. M.: Wie man auf “Wahnsinnige Sehnsucht” bereits hören konnte komponierst Du nicht nur für die Gitarre. Hat Helmut Jasbar neben der Gitarre ein ausgesprochenes Lieblingsinstrument?
H. J.: Mein aktuelles Interesse gilt dem Klavier und dem Streichquartett.
C. M.: Zunehmend werden Deine Werke und Bearbeitungen auch von andern Gitarristen interpretiert. Als Komponist kann man sich darüber eigentlich nur freuen. Ist es nicht trotzdem manchmal schwer sich von seinen Werken zu lösen, wenn diese Beispielsweise ganz anders interpretiert werden als man es selbst tun würde?
H. J.: Nein, ich gebe die Stücke leicht aus der Hand und hoffe immer, dass gute Musiker ihre Kreativität einbringen. Sehr gern habe ich es, wenn ich zu Rate gezogen werde und dieses oder jenes in meinen Stücken diskutieren kann. Der Komponist ist nichts ohne einen guten Interpreten. Da lerne ich sehr viel dabei.
C. M.: Du bist auch als Radiomoderator aktiv. Welche Inhalte haben Deine Sendungen?
H. J.: Musik aus allen Bereichen & Zeiten, mit eher feuilletonartigen, leicht ironischen Kommentaren, im Übrigen strikt getrennt von meiner Tätigkeit als Gitarrist. D.h. Keine eigenen CDs und nur selten Gitarrenmusik in meinen Sendungen.
C. M.: Womit bist Du zur Zeit beschäftigt? Darf man sich auf neue Veröffentlichungen freuen?
H. J.: Mein Ensemble “Jasbar Consort”, das aus 7 Musikern besteht wird im Dezember ein europaweit ausgestrahltes Konzert mit meiner Musik (alles Uraufführungen) bestreiten – und ca. 100 000 000 andere Sachen. CDs wird’s auch bald wieder welche geben.
Weitere Informationen:
CDs von Helmut Jasbar:
“Live at the Havanna Guitar Festival”
“Bach – Transcribed for Guitar and performed by Helmut Jasbar”
“Wahnsinnige Sehnsucht – Jasbar Consort”