Nach einem umjubelten Konzert in der Hamburger Musikhalle mit dem italienischen Ensemble „I Musici“ nahm sich der Gitarrist Pepe Romero Zeit für ein Interview mit GitarreHamburg.de. Auf exzellente Weise hatte er zuvor mit den Musikern von „I Musici“ harmoniert und u.a. das Konzert in A-Dur op. 30 Nr. 1 von Mauro Giuliani dargeboten. Neben seiner Virtuosität beeindruckte besonders sein voller kräftiger Ton, mit dem er sich scheinbar mühelos gegen das Ensemble durchsetzte. So verwundert es nicht, dass die erste Frage seinem Instrument galt.
Das Interview führten Prof. Bernd Ahlert, Prof. Bernard Hebb und Christian Moritz. Übersetzung: Ursula Wichmann und Christian Moritz.
GitarreHamburg.de: Was für eine Gitarre spielen Sie zurzeit?
Pepe Romero: Zurzeit spiele ich Gitarren von drei verschiedenen Gitarrenbauern. Von Edmund Blochinger aus München, von meinem Sohn….
GitarreHamburg.de: Ihr Sohn baut Gitarren?
Pepe Romero: Mein Sohn baut hervorragende Gitarren. Mann könnte sagen im selben Stil wie Blochinger. Außerdem spiele ich noch die alte Rodriguez von meinem Vater, eine Zwillingsschwester meiner eigenen Rodriguez.
GitarreHamburg.de: Haben Sie schon einmal daran gedacht auf historischen Gitarren zu spielen?
Pepe Romero: Ich habe einige Gitarren von Lacote, zwei Panormos und einige noch ältere Gitarren aus Cadiz. Sie sind alle in einem sehr guten Zustand. Aber ich spiele sie nicht in Konzerten sondern nur privat. Professionell spiele ich Instrumente von Torres an aufwärts. Ich spiele sehr gerne alte Gitarren von Torres, Hauser und Santos Hernandez, aber in Konzerten habe ich bisher immer die Rodriguez, manchmal meine ältere Hauser, die Edmund Blochinger und Instrumente von meinem Sohn gespielt.
GitarreHamburg.de: Bevorzugen Sie eine der Gitarren für Solokonzerte oder machen Sie keine Unterschiede zwischen Konzerten mit einem Streichorchester und solistischen Konzerten?
Pepe Romero: Nein, gewöhnlich sind meine Tourneen niemals nur Solorecitals oder Konzerte mit einem Orchester. Auf dieser Tour spiele ich ausnahmsweise nur mit „I Musici“ zusammen, außer bei dem letzten Konzert in Salzburg. Dort spiele ich gemeinsam mit einem Streichquartett zwei Werke von Boccherini. Normalerweise sind die Tourneen aber ein Gemisch aus Solo- und Orchesterkonzerten. Deshalb nehme ich immer nur eine Gitarre.
GitarreHamburg.de: Sie haben einen hervorragenden, sehr kräftigen Ton. Auch ohne Verstärkung war alles sehr gut zu hören.
Pepe Romero: Ich mag keine elektrische Verstärkung. Durch Verstärkung ergibt sich ein völlig anderer Klang mit ganz anderen Schattierungen. Die wahre Schönheit der Gitarre ist ihr Klang! Wenn man diesen Klang verändert, wird der Gitarre ein großer Teil ihrer Schönheit genommen. Es gibt wundervolle Gitarren mit einem durchsetzungsfähigen Klang, und wenn man spielt und als Gitarrist an seinem Ton arbeitet, dann wird man auch die Fähigkeit entwickeln, mit einem vollen Ton zu spielen und damit hervortreten zu können.
GitarreHamburg.de: Sie haben gerade gesagt, dass Sie einerseits viele Konzerte mit Streichorchestern geben, andererseits aber auch Soloabende bestreiten. Welchen Repertoireschwerpunkt würden Sie jungen Studenten empfehlen?
Pepe Romero: Ich würde ihnen empfehlen alles zu studieren, aber dabei herauszufinden, welches Repertoire sie gut spielen können. Wenn du Repertoire auswählst, das du nicht wirklich schön spielen kannst, dann gewöhnst du dich daran nicht schön zu spielen, während du denkst, dass du es eigentlich tust. Du akzeptierst damit, dass dein Standard sinkt. Ich halte es für sehr wichtig, dass Musiker das spielen, was sie wirklich schön spielen können und gleichzeitig an einigen Dingen arbeiten, die eine Herausforderung für sie darstellen. Man muss den Unterschied zwischen dem erkennen, was man gut spielen kann und dem, in das man sein Herz, seinen Ausdruck, seine Liebe und seine Fantasie hineinlegen kann und was einen an dem Punkt, an dem man merkt, dass man es nicht tun kann dazu antreibt, mit Übungen, Etüden und mit der Hilfe seines Lehrers an sich zu arbeiten.
GitarreHamburg.de: Unterrichten Sie zurzeit?
Pepe Romero: Ja. Ich glaube es ist wichtig, als Spieler immer Lehrer und Studierender zugleich zu sein. Bis zu dem Tag an dem mein Vater starb, war ich sein Schüler. Von diesem Tag an bis heute arbeite ich immer noch an dem, was er mich lehrte, so dass sein Unterricht auch jetzt noch in mir präsent ist. Das Lernen ist ein lebenslanger Weg.
Letztes Jahr habe ich in Lübeck, im Rahmen des Schleswig Holstein Musikfestivals, einen Meisterkurs gegeben, außerdem unterrichte ich als Gastlehrer an verschiedenen Universitäten und auf verschiedenen Festivals. Ich unterrichte aber nicht so viel wie früher. Zurzeit bin ich Honorarprofessor am USC in Los Angeles, einer Schule an der ich bereits vor vielen Jahren unterrichtet habe. Frühere Studenten von mir – Idole wie Scott Tennant und Bill Kanengiser – betreiben jetzt die Abteilung zusammen mit James Smith, einem anderen meiner Schüler. Deshalb bin ich jedes Jahr dort, um eine Meisterklasse zu unterrichten. Aber am aller wichtigsten ist es mir, die jungen Romeros zu unterrichten!
GitarreHamburg.de: Das ist eine Tradition?
Pepe Romero: Ja, sicher! Mein Vater tat es bis zu seinem Tod und nun führen es meine Brüder und ich weiter.
GitarreHamburg.de: Erinnern Sie sich an die erste Gitarrenstunde, die Sie von Ihrem Vater bekamen? War Ihr Vater Ihr erster Lehrer?
Pepe Romero: Mein Vater war mein einziger Gitarrenlehrer. Ich erinnere mich nicht an die erste Gitarrenstunde, weil ich mich nicht daran erinnere, wann ich mit dem Spielen begonnen habe. Solange ich denken kann bin ich Gitarrist.
Aber ich kann Ihnen erzählen, was mein Vater zuletzt zu mir sagte. Er bat mich, für ihn zu spielen, wenn er diese Welt verlassen würde. Als ich auf die Welt kam, empfing er mich mit seiner Gitarre. Er spielte als meine Seele in diese Welt kam und ich sollte spielen, wenn seine Seele diese Welt verlassen würde. Diese Art zu denken ist wahrscheinlich der schönste Unterricht, den man bekommen kann, denn er lehrt einen das Wichtigste, was ein Lehrer seinem Schüler vermitteln kann: die Musik und die Gitarre zu lieben, zu ehren und zu achten!
GitarreHamburg.de: Was sollte man von einem guten Lehrer erwarten können?
Pepe Romero: Ich denke ein Lehrer muss seinem Schüler Mut machen, sein Bewusstsein erweitern und versuchen, alle möglichen Hindernisse beiseite zu räumen, damit der Student wie eine Blume heranwächst und die Musik aus sich herauslassen kann.
GitarreHamburg.de: Gab es manchmal auch anstrengende Momente in Ihrer Laufbahn, in denen es Ihnen schwer fiel, weiter intensiv an sich zu arbeiten?
Pepe Romero: Es war immer eine einzige große Freude. Mühsam war es nur dann, wenn mir zu viele Konzerttermine weniger Zeit zum Üben ließen, als ich gern gehabt hätte. Ich liebe es zu üben!
Mein Vater wurde immer verrückt, wenn er ein Konzert spielen sollte, weil ihm diese Zeit für das Üben fehlte. Er pflegte dann zu sagen: „Wenn jemals der Tag kommt an dem ich sterben muss, dann ist das in Ordnung, weil ich dann mehr Zeit zum Üben habe.“ Selbst zwei Wochen bevor er starb übte er, obwohl er durch seine Krankheit schon sehr geschwächt war und eine Sauerstoffmaske tragen musste. Er starb an Lungenkrebs und das Ende von Lungenkrebs ist wirklich schrecklich. Mein Vater legte zum Spielen kurz seine Maske ab und machte selbst zu diesem Zeitpunkt noch eine wundervolle Entdeckung. Er sagte zu mir: „Hör zu und vergiss dies nicht…!“ Er hatte einen Weg entdeckt, Villa-Lobos-Glissandi ganz ohne Nebengeräusche auszuführen. Selbst am Ende seines Lebens versuchte er Dinge zu entdecken, weiterzuentwickeln und Wege zu finden, um die Spieltechnik zu verbessern.
GitarreHamburg.de: Wie üben Sie?
Pepe Romero: Wenn ich genug Zeit habe um so zu üben, wie ich es mag, dann beschäftige ich mich als Erstes mit technischen Übungen und Tonleitern. Danach spiele ich leidenschaftlich gern Repertoire, einfach um der Musik willen. Dann verfeinere ich Stücke, indem ich einzelne Passagen immer und immer wieder spiele. Dabei reduziere ich das Tempo und achte zum Beispiel darauf, alle Lagenwechsel äußerst legato zu spielen. Die Lagenwechsel werden so sehr präzise und koordiniert.
Suche jeden Tag nach deiner schwächsten Passage und arbeite an ihr, bis sie zu deiner stärksten wird!
GitarreHamburg.de: Üben Sie auch mental, ganz ohne das Instrument?
Pepe Romero: Ja, ich denke man sollte Stücke auf diese sehr konzentrierte Art und Weise studieren. Spiele ein Stück ohne Gitarre durch. Dann spiele ein Stück auf der Gitarre ohne dabei zu denken, so dass es eine rein taktile körperliche Erinnerung ist. Danach übe rein visuell, indem du auf die Noten schaust und dir dabei die musikalischen Zusammenhänge vergegenwärtigst, sodass alle deine Sinne, das visuelle, auditive und taktile Gedächtnis immer sowohl unabhängig voneinander sind, als auch in einander greifen. Übe sehr sorgfältig!
GitarreHamburg.de: Das nimmt natürlich viel Zeit in Anspruch.
Pepe Romero: Ja, aber man muss sehr sorgfältig üben, um mit großer Leidenschaft spielen zu können, ohne dabei zu denken, nur mit den Gefühlen.
GitarreHamburg.de: Umfasst Ihr Repertoire auch moderne Musik?
Pepe Romero: Ja! Letztes Jahr habe ich zwei wundervolle Konzerte von dem spanischen Komponisten Lorenzo Palomo – er lebt in Berlin – eingespielt. Seine Musik ist eine Kombination aus einer sehr zeitgenössischen Tonsprache und vielen wunderschönen Melodien. Sehr spanisch, sehr melodiös aber gleichzeitig atonal. Darüber hinaus habe ich ein Solokonzert und ein Konzert für vier Gitarren von ihm aufgenommen. Außerdem werde ich ein Konzert von Xavier Montsalvatge – einem katalonischen Komponisten – einspielen, das auch sehr modern, aber wunderschön ist. Kommenden Juni werde ich mit Sir Neville Mariner und dem London Symphonie Orchestra ein Werk des japanisch-amerikanischen Komponisten Paul Chihara aufnehmen. Die Premiere dieses Stücks spielte ich schon vor ca. 30 Jahren. Ich mag moderne Musik, aber ich bin durchaus wählerisch.
GitarreHamburg.de: Ist es etwas Besonderes vor deutschem Publikum zu spielen, verglichen mit dem Publikum in Amerika oder dem anderer Länder?
Pepe Romero: Ich liebe Menschen und trete überall gern auf. Ich kann nicht sagen, dass ich das eine Publikum lieber mag als das andere. Das deutsche Publikum ist ein sehr wundervolles aufmerksames Publikum und ich fühle mich immer sehr wohl, wenn ich vor einem deutschen Publikum auf der Bühne stehe. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen da sind um Spaß zu haben, um am Erlebnis eines echten Konzerts teilzunehmen, um sich gut zu fühlen, und sich an der Botschaft und am Erlebnis der Musik zu freuen. Die Deutschen sind ein sehr offenes Publikum, dasselbe kann ich aber auch über das amerikanische sagen.
Vor zwei Wochen spielte ich in Bogota und wenn wir über Auftritte sprechen, dies war für mich ein unglaubliches Erlebnis. Ich habe noch niemals so viele Gitarristen in einem Konzert gesehen. Es war unglaublich, sie sprangen vor Begeisterung von ihren Stühlen. So einen Enthusiasmus wie bei den Kolumbianern habe ich noch nicht einmal bei Spaniern gesehen, obwohl das spanische Publikum sehr offen zeigt, wenn es ein Konzert gut findet.
GitarreHamburg.de: Kennen Sie das Gefühl der Aufregung? Sind sie vor Konzerten manchmal nervös?
Pepe Romero: Ja, immer! Aber ich genieße es. Ich glaube, nervös zu sein ist eine sehr wichtige Sache, da man ohne aufgeregt zu sein, hinausgeht und eine routinierte, unterkühlte Vorstellung abliefert. Wenn man ein wenig nervös ist, dann ruft man die Musen um Hilfe an. Der einzige Weg die Nervosität abzuschütteln ist, seine eigene Persönlichkeit freizugeben, sie hervortreten zu lassen und sich damit für eine größere Erfahrung zu öffnen. Man muss sich dem höheren Geist der Musen und der Kraft der Musik anvertrauen, dann kann man eine magische Erfahrung machen, die man nur bei Auftritten erleben kann.
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