Wulfin Lieske bei den Hamburger Gitarrentagen
Ein Konzert der Extraklasse bekamen die Zuhörer am 30.04. im Rahmen der Hamburger Gitarrentage geboten. GitarreHamburg.de präsentierte den international anerkannten Gitarristen Wulfin Lieske. Musik von Regino Sainz de la Maza, Eduardo Sainz de la Maza, Ruperto Chapí, Joaquín Malats Joaquín Turina, Issac Albéniz und sein eigenes Werk “Taqusim I in four parts” – jüngst im Label Kreuzberg Records erschienen – hatte der Wahlkölner mit in die Heilig-Geist Kirche gebracht und wusste sein Zuhörer mit einer gehaltvollen aber zugleich sehr unterhaltsamen Live-Performance zu beeindrucken.
Von Beginn an bestach Lieske durch seine absolute Präsenz und eine erfrischende Spielfreude, die kein vorsichtiges Herantasten bzw. langsames Hereinspielen in die Konzertsituation benötigte. Dieser Interpret liebt das Podium und versteht sich bestens darauf gleichzeitig großes Selbstbewusstsein und Lockerheit zu versprühen. Ganz hervorragend sind in diesem Zusammenhang auch die lehrreichen und unterhaltsamen Moderationen, durch die der Abend ein wenig den entspannten Charakter eines Gesprächskonzerts bekam.
Der erste Programmblock des Konzerts war ganz Regino und Eduardo Sainz de la Maza und gewidmet, in deren Kompositionen sich heimatliche Folklore und europäische Kunstmusik vermischen, was schon die aus dem Flamenco stammenden Titel wie „Petenera“, „Soleá“ oder „Zapateado“ verraten. Lieskes Interpretation gelingt es beiden Einflüssen gerecht zu werden, indem er sich nicht als Flamenco-Gitarrist geriert, da wo es aber erforderlich ist forsch und zupackend zu Werke geht. Ein besonders inniger Moment war das wunderschöne “Campanas de Alba” aus Eduardo Sainz de la Mazas Feder. Einfach hinreißend, dieses absolut unangestrengte Tremolo, welches so leicht und flüssig aus Lieskes Fingern strömt und zudem mit den allerfeinsten tonlichen Nuancen gespickt ist.
Nun folgten Werke von Ruperto Chapi und Joaquín Malats, mit denen Lieske gleichzeitig die außerordentlichen Leistungen Francisco Tárregas als Arrangeur fremder Kompositionen darstellte und aufzeigte, wie sehr die Tätigkeit als Bearbeiter auch seine Kompositionen beeinflusst haben. Ganz besonders deutlich wurde dies an Chapis „Serenata Morisca“, die eine nicht zu überhörende Nähe zu Tárregas beliebtem „Capricho Arábe“ aufwies.
Und auch im folgenden Programmteil, in dem der Gitarrist drei Werke Joaquín Turinas präsentierte, war Francisco Tárregas präsent, brachte Lieske neben den Stücken „Fandanguillo“ und „Rafaga 0p. 53“ doch auch die zweisätzige Komposition „Hommenaje à Tárrega“ zu Gehör. Lieske arbeitet durch subtile Kolorierung gekonnt die teilweise impressionistischen Klangbilder heraus, wird durch seine sehr authentische Artikulation aber auch hier den typischen Hispanismen dieser Kompositionen gerecht.
Mit seiner viersätzigen Komposition „Taqsim I“ stellte sich nach der Pause dann auch der Komponist Wulfin Lieske seinem sehr fachkundigen Publikum vor. Das aus dem griechischen stammende Wort Taqsim (taxis – Teilung, Bruch, Anordnung) bezeichnet auch die Soloimprovisation der arabischen Laute (Oud) auf Grundlage fester Tonreihen, der so genannten maquam. Hierauf basiert auch die musikalische Textur seiner Komposition erläutert Lieske einführend und fügt hinzu, dass es sich sowohl um eine Hommage an den irakischen Lautenmeister Mounir Bashir handelt – hierzulande durch seine Zusammenarbeit mit Musikergrößen wie Friedrich Gulda oder Albert Mangesldorff bekannt – gleichzeitig aber auch eine Huldigung der kappadokischen Hochebene darstellt. Diese farbenreiche, fast sureallistisch wirkende anatolische Landschaft, mit ihrer durch Vulkanausbrüche vor drei Millionen Jahren geprägten bizarren Felsenlandschaft mit ihren ganz eigenen Klangräumen muss eine besonders starke Inspirationsquelle für den Komponisten gewesen sein. Den mit „Metamorphosis“, „Evocación“, „Scherzo“ und „Choral“ betitelten Sätzen von Taqusim I liegt ein meditativ archaischer Gestus zugrunde, der mit eruptionsartig hervorbrechenden Rasgueados, minimalistisch anmutenden Tappingpatterns, schwebenden Flageolettpassagen oder flirrenden Klangflächen fortwährend zwischen höchster musikalischer Intensität und entspannter fast spiritueller Gelöstheit changiert. Selbst jene Zuhörer, die sich sonst weniger mit modernen Kompositionen anfreunden können, waren verblüfft von diesem Farbenreichtum, dieser Vielzahl an Klängen und Geräuschen, die Lieske seinem Instrument entlockte und der unerhört expressiven Vortragsweise.
Die wenigen Zuhörer, die Taqusim eher als reinigendes Gewitter erlebten, wurden im Anschluss mit einer Transkription des Albéniz-Klassikers Córdoba versöhnt. In der Heilig-Geist Kirche neigte sich ein Konzertabend dem Ende entgegen, der mit deutlich spanischem Schwerpunkt, mit der geglückten Vereinigung von Tradition und Moderne und nicht zuletzt durch die extraordinären Fähigkeiten des Interpreten zu einer wunderbare Werbung für die Gitarre geriet. Das begeisterte Auditorium dankte mit anhaltendem Beifall und entließ den Interpreten erst nach zwei Zugaben in den wohlverdienten Feierabend.