Er ist der Gewinner des Openstring-Wettbewerbs 2002 und hat mit seiner CD “Industrial Blues” ein viel beachtetes Debut-Album vorgelegt. Der klassisch ausgebildete Gitarrist überzeugt mit seiner virtuosen Gitarrentechnik und als einfallsreicher Komponist. In dem folgenden Kurzinterview stellen wir den Newcomer und exzellenten Nylon-Fingerstyler David Sick vor.
Das Interview führte Christian Moritz.
Christian Moritz: Da Du vielen Lesern von GitarreKonkret.de noch eher unbekannt sein wirst, erst einmal die Frage nach Deiner musikalischen Herkunft. Wie bist Du zur Gitarre gekommen?
David Sick: Mein Vater hatte seit meiner frühesten Kindheit immer irgendwelche Instrumente herumstehen, so begann ich mit 6 Jahren auf einem Drumset herumzuschlagen und erst spät, mit 10 Jahren, das Gitarrespiel, auf Anraten meiner Mutter.
C.M.: Später hast Du eine klassische Ausbildung genossen. Welchen Stellenwert hat dieses Studium rückblickend in Deiner musikalischen Entwicklung? Würdest Du heute wieder diesen Weg gehen?
D.S.: Das Studium half mir in der Tat enorm. Ich genoss es, eine Menge Zeit in die Lösung musikalischer und vor allem technischer Probleme investieren zu können und für mich selbst zu entdecken, wie man ein Gegengewicht zur „klassischen Gitarre“ setzt, zum Beispiel in der Beschäftigung mit Rockmusik zu dieser Zeit.
C.M.: Nach Deinem klassischen Studium hast Du den Studiengang „Weltmusik“ in Dresden bei Thomas Fellow besucht. Wie hat man sich ein solches Studium vorzustellen? Was sind die konkreten Inhalte dieses Studiums?
Im Aufbaustudium bei Thomas Fellow geht es um wichtige und oft vernachlässigte Themen wie: Performance, die Förderung zur Entwicklung eines Personalstils, Komposition, Erstellen von Werbematerialien.
Dieser Studiengang richtet sich an Gitarristen, welche sich musikalisch zwischen oder jenseits der Welten des Jazz oder der Klassik befinden. Eine Orientierungsmöglichkeit bietet das Grundstudium auch in der Vermittlung von verschiedenen Stilistiken und Techniken.
C.M.: Als Preisträger des Open Strings – Festivals hast Du u.a. Deine erste CD mit dem Titel „Industrial Blues“ eingespielt. Betrachtest Du diesen Erfolg als Deinen künstlerischen Durchbruch?
D.S.: Als Musiker von einem „Durchbruch“ zu sprechen liegt mir noch fern. Man sieht, dass selbst Gitarristen mit 15 ersten Preisen es sehr schwer haben und nur der immer wiederkehrende Kontakt mit dem Publikum vermag dies eines Tages zu vollbringen. Die CD „Industrial Blues“ allerdings hat ein derart positives Echo ausgelöst, dass man von einem Erfolg sprechen kann.
C.M.: Im Booklet der CD fällt auf, dass Du den einzelnen Titeln immer einen Satz mit einer außermusikalischen Assoziation, einem Bild oder einem Gefühl hinzugefügt hast. Bestimmen diese Inhalte schon den Entstehungsprozess Deiner Kompositionen oder kommen Dir die Assoziationen erst beim späteren Hören Deiner Stücke?
D.S.: Das rationale Denken ist beim Komponieren bei mir sehr zurückgedrängt und geprägt von starken unbestimmten Gefühlen, die aber im Nachhinein sehr wohl bestimmbar sind.
C.M.: Wie wichtig ist Dir Musik als Ventil bzw. als Möglichkeit ganz persönliche Erlebnisse und Gefühle zu verarbeiten?
D.S.: Es ist das Wichtigste überhaupt.
C.M.: Auf „Industrial Blues“ gibt es u.a. eine äußerst gelungene Bearbeitung des ABBA – Hits „Dancing Queen“. Wie kommt ein Gitarrist darauf ein solches – doch eher ungitarristisches Stück – für die Gitarre zu bearbeiten?
D.S.: Das Stück ist überhaupt nicht ungitarristisch, die Bearbeitung erforderte vergleichsweise wenig Mühen und es gab kaum knifflige Fingersätze.
Die Idee kam mir beim Tanzen in der Diskothek.
C.M.: Wie hältst Du es mit dem Einsatz von technischen Geräten wie Sequenzern oder Gitarren-Synthesizern? Bei dem etwas psychedelisch anmutenden Titel „Catacomb“ kamen anscheinend derartige Effektgeräte zum Einsatz. Wenn ja, was für Equipment setzt Du ein?
D.S.: Ich setze nur eine Loopstation ein. Die Sounds kommen von der Gitarre. Effektgeräte halten mich zugegebenermaßen von der Arbeit ab.
C.M.: In wie weit haben Dich andere Instrumentalisten oder Bands in Deiner stilistischen Entwicklung beeinflusst?
D.S.: Bands sehr stark, Instrumentalisten fast gar nicht. Um nur einige Beispiele zu nennen: Ani Difranco, Placebo, Friendnfellow, Smashing Pumpkins, Radiohead.
C.M.: Ich könnte mir vorstellen, dass gerade jüngere Gitarristen gern die Stücke von „Industrial Blues“ nachspielen würden. Ist eine Notenausgabe geplant?
D.S.: Ende diesen Jahres werden Noten bei mir erhältlich sein, doch Vorsicht: Es ist einigermaßen schwierig, dieses Stück zu spielen, die Saiten sind komplett umgestimmt und es beginnt mit einem Barrée im zwölften Bund, ohne Cutaway also unspielbar.
C.M.: Als Spieler von Nylonsaiten ist man ja immer noch ein wenig Exot in der stahlsaitendominierten Fingerstyleszene. Lehnst Du den Sound von Stahlsaiten ab?
D.S.: Nein, Stahlsaiten haben sogar einige Vorteile: Sie verstimmen sich im open tuning nicht so schnell, haben eine gewisse Härte im Klang. Doch wer einmal die Wucht von Thomas Fellows Yairi (Nylon) erlebt hat, denkt manchmal, dass Nylon noch eine große Zukunft hat.
C.M.: Widmest Du Dich heute ausschließlich Deiner eigenen Musik oder kommt es auch vor, dass Du auf das klassische Repertoire zurückgreifst?
D.S.: Klassik ungern, allerdings mag ich Kompositionen von Granados und Barrios sehr gerne und spiele sie nicht selten in meinen Konzerten, als Kontrast zu Rock und Folk.
C.M.: An welchen Projekten arbeitest Du momentan?
D.S.: Ich vertone Reden von berühmten Menschen, z.B. Martin Luther King oder Marylin Monroe und arbeite mit Samples. Außerdem gibt es bald eine größere Tour mit meinem Quartett „Caliente“, wir werden Werke von Joaquin Rodrigo interpretieren(4 Gitarren und Orchester). Und natürlich werde ich weiterhin solo unterwegs sein.
C.M.: Lebst Du ausschließlich von Deiner musikalischen Tätigkeit?
D.S.: Ja, das funktioniert mittlerweile ganz gut.
Weitere Informationen: