– Das Festival der Hansestadt etabliert sich als gitarristisches Highlight des Nordens –
Nachdem noch drei Monate vor dem Festival kurzfristig die Räumlichkeiten gewechselt werden mussten, erwies sich der neue Veranstaltungsort als wahrer Glückstreffer. Durch die unkomplizierte und fruchtbare Kooperation von GitarreHamburg.de mit der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg konnte das 2. Hamburger Gitarrenfestival in den Räumen des Stadteilkulturzentrums „Kulturhof Dulsberg“ stattfinden. Dies bot die schöne Möglichkeit, alle Bereiche dieser umfangreichen Veranstaltung unter einem Dach durchzuführen.
Schon im Eingangsbereich des Kulturhofs wurde man freundlich durch das Helferteam begrüßt und erhielt seine Teilnahmeunterlagen sowie die Festivalbroschüre. Diese führte durch das umfangreiche Angebot an Hauptkonzerten, musikalischen Darbietungen auf der Aktionsbühne, das reichhaltige Unterrichts-, Vortrags- und Workshopangebot, die Ausstellung rund um die Gitarre und alles, was das 2. Hamburger Gitarrenfestival darüber hinaus zu bieten hatte. Als zentraler Treffpunkt und Ort zum Fachsimpeln, fachlichem Austausch oder einfach nur zum gemütlichen Klönen wurde die Cafeteria hervorragend angenommen, was nicht zuletzt an der herzlichen Bedienung lag, die die Besucher mit verschiedensten Getränken, Kuchen, belegten Brötchen, Suppe und diversen Snacks bewirtete.
Offizieller Auftakt war die Fingerstyle-Night mit Thomas Brendgens-Mönkemeyer, dem Duo „Hands on Strings“ und Jacques Stotzem. Zu Beginn gab es konzertanten Jazz von Thomas Brendgens-Mönkemeyer, der verhalten begann, mit zunehmender Spieldauer aber immer mehr an Lockerheit gewann und bei den Freunden der solistischen Jazzgitarre am Ende keine Wünsche offen ließ. Als Zuhörer imaginierte man früher oder später eine swingende „virtuelle“ Begleitband hinzu, genauso wie es offensichtlich auch der Interpret tut. Das aus Thomas Fellow und Stephan Bormann bestehende Duo „Hands on Strings“ brachte den gut gefüllten Saal dann erstmals zum Kochen. Mit virtuosem Spiel, tollen Arrangements von Klassikern wie zum Beispiel Astor Piazzollas „Libertango“ oder Egberto Gismontis “Loro”, ebenso mitreißenden Eigenkompositionen und einer unterhaltenden Moderation dürften „Hands on Strings“ in Hamburg viele Fans hinzugewonnen haben. Mit seiner melodischen Art des Fingerstyle und der ihm eigenen Prise belgischen Humors gewann auch Jacques Stotzem schnell das Publikum für sich, wie schon bei seinem ersten Hamburg Gastspiel in 2003. Neben hochkarätigen Eigenkompositionen verblüffte er seine Zuhörer aufs Neue mit seinen kongenialen Arrangements von Titeln wie “All Of Me”, “Sweet Georgia Brown” und dem rasanten Jimi Hendrix-Evergreen „Purple Haze“. Das Publikum erlebte ein äußerst facettenreichen und unterhaltsamen Abend, der in einer gemeinsamen Abschlusssession aller vier Musiker mündete. Folgendem Fazit eines Besuchers – veröffentlicht in einem Internetforum für „Fingerstyler“ – ist nichts hinzuzufügen: „4 Stunden (abzgl.Pausen) gute bis sehr gute Musik, und das für 18 Euro. Da kann man nicht meckern, oder ?“
Am Samstag starteten dann auch die Kurs- und Workshopangebote des Festivals. Teilnehmer mit ganz unterschiedlichen Vorraussetzungen trafen sich bei Thomas Brendgens-Mönkemeyer, um sich dem Thema Jazz, Blues und Improvisation zu nähern bzw. einen tieferen Einblick in die Materie zu erhalten. Während hier gemeinsam an Jazz- und Blueskompositionen gearbeitet wurde, vermittelte Jacques Stotzem im Nebenraum seine moderne Fingerstyle-Gitarrentechnik, die auf dem traditionellen Spiel der „Fingerpicker“ basiert. Dies wurde insbesondere an dem Stück „L`Autre Rive“ – einer Eigenkomposition Stotzems – und einem Arrangement von Joe Zawinuls „Mercy, Mercy, Mercy“ erprobt. Die klassischen Gitarristen fanden sich zu Kursen bei Johannes Tonio Kreusch, Michael Tröster, Alexander Sergeí Ramirez, Antigoni Goni und Bernd Ahlert ein, um hier als aktive Teilnehmer gemeinsam mit dem jeweiligen Dozenten an vorbereitetem Repertoire zu arbeiten oder dies als passive Zuhörer mitzuerleben. Unter der fachkundigen Anleitung von Steffen Trekel traf man sich zudem zum gemeinsamen Spiel im Gitarrenensemble. In keinem Kurs spielte es eine Rolle, auf welchem spielerischen Niveau man sich als Teilnehmer befand. Jedem wurde auf seiner ganz individuellen Ebene begegnet und zahlreiche wertvolle Tipps zur persönlichen, spieltechnischen- und musikalischen Weiterentwicklung gegeben. Wie auch in 2004 wurde das Festival insgesamt wieder von einer herzlichen, freundschaftlichen und sehr entspannten Grundstimmung unter Teilnehmern, Dozenten, Künstlern, Helfern und Besuchern geprägt!
Parallel öffnete auch die abwechslungsreiche Ausstellung rund um die Gitarre Ihre Pforten. Hier konnte man nach Herzenslust im umfangreichen Notenangebot stöbern, neue Gitarren anspielen und sich über nützliches Zubehör informieren. Aus Osnabrück war Acoustic Music mit einem umfangreichen Angebot an CD´s und Noten-Ausgaben angereist. Der Schell-Verlag präsentierte bewährte Publikationen und seine brandneuen Notenausgaben wie „Flatpicking – Mastertechnique“ von Oliver Waitze, „Horizonte“ von Sven Ketelsen oder die Rhythmusschule „Stay in Time“ des Akustikbassvirtuosen Ralf Gauck. Das Musikhaus Trekel hatte seine umfangreiche Notenausstellung der unterschiedlichsten Verlage aufgebaut. Spätestens hier konnte man für jede Stilistik und alle Niveaustufen die passende Notenausgabe finden. Gleich nebenan war der Stand der jungen Firma „Session Box“ zu finden, die hier ihr Angebot an günstig und stundenweise anzumietenden Übungsräumen vorstellte. Selbstverständlich waren auch die Gitarrenbauer zahlreich und vielseitig vertreten. Norman Ort von „Gypsyguitar“ hatte eine hochinteressante Auswahl an Jazzgitarren zu bieten, Jens Towet hatte seine selbstgebauten Konzert- und Stahlsaitengitarren aus Kevelaer mitgebracht und auch bei den Gitarrenbaumeistern Andreas Krüger aus Bielefeld, Gerd Petersen aus Mölln und dem in Hamburg ansässigen Carsten Kobs konnte man hochkarätige Meisterinstrumente antesten. Eine Neuentwicklung war am Stand von Philipp Neuman aus Leipzig zu bestaunen, der hier seine Gitarre mit einem Doppelboden-Konzept und ohne herkömmlichem Schallloch vorstellte.
Einen äußerst erfreulichen Zuspruch erhielt erneut die Aktionsbühne. Auch hier spiegelte sich die große Vielfalt der Gitarre in diversen Stilistiken und den unterschiedlichsten Besetzungen wieder. In diesem Rahmen stellten sowohl Hobbymusiker als auch arrivierte Gitarristen Ausschnitte aus Ihren Programmen vor. Das Gitarrentrio „Tea for Three“ machte den Anfang mit Musik von Joseph Haydn, Stephan Raak und dem „Berlin-Blues“ von Michael Haas. Danach nutzen vier junge Gitarristen die Aktionsbühne zu einem Testlauf für den Wettbewerb „Jugend musiziert“ und päsentierten „Gryses Y Soles“ von Maximo Diego Pujol, den beliebten Kanon von Johann Pachelbel sowie den melodisch eingängigen und „groovenden“ Titel „Lotus Eaters“ von Andrew York. Mit Christian Kunze folgte ein waschechter Profi, der das Publikum mit eigene Kompositionen begeisterte, in denen er Impressionen eines Besuchs auf der Insel Corfu verarbeitete. Bevor mit dem Gitarrenensemble der Musikschule Schneider und dem Farmsener Gitarrenesemble – u.a. qualifizierte sich dieses Ensemble für den 5. Deutschen Orchesterwettbewerb – zwei Gitarrenorchester zu hören waren, nahm Antonio Cosenza das Publikum mit auf eine virtuose musikalische Reise in seinen südamerikanische Heimat. Genauso bunt sollte es dann am Sonntag weitergehen. Der Hamburger Gitarrist und Gitarrenlehrer Christoph Biermann stellte eigene Stücke vor, bevor George Linardatos mit Stimme und Gitarrespiel zu überzeugen wusste. Besonders beeindruckte der erstklassige Freizeitgitarrist das Publikum mit seiner Solofassung des Dire Straits – Klassikers „Sultans of Swing“, selbst auf das berühmte Gitarrensolo verzichtete Linardatos nicht! Mit Thorsten Hansen präsentierte sich ein weiterer Profi, der sich in vielen musikalischen Welten zu Hause fühlt und das auf klassischer Konzertgitarre und auf der Steelstring eindrucksvoll demonstrierte. Mit dem Albert-Schweitzer-Jugendgitarrenensemble (ASJGO) enterten noch einmal die jungen Gitarristen die Aktionsbühne. Dieses – aus einem Gitarrenensemble im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts an der Albert-Schweitzer-Schule hervorgegangene – Gitarrenensemble demonstrierte sein hohes Potential mit Kompositionen des Australiers Richard Charlton, dem Stück „Around Mi“ von Heinz Brüderl und einem Arrangement des berühmten Titels „Europa“ von Carlos Santana. Für ein fulminantes Finale voll ansteckender Spielfreude sorgte – auf besonderen Wunsch des Veranstalters – das Gitarrenduo „Matamă“ mit seinem feurigen Mix aus Flamenco und brasilianischer Musik. Hochinteressant waren darüber hinaus die in „letzter Minute“ ins Programm aufgenommenen kostenlosen Mitmachworkshops mit Steven Pfeffer (Flamenco) und Felix Schell (Fingerstyle-Blues), die auf sehr positive Resonanz stießen. Mit etwas mehr zeitlichem Vorlauf, dürften derartige „Schnupperangebote“ auch noch regeren Zulauf erhalten und den Ein- oder Anderen für eine neue Stilistik oder das Gitarrespielen überhaupt begeistern.
Neben den spannenden und für die Besucher kostenlosen Darbietungen auf der Aktionsbühne gab es selbstverständlich exquisit besetzte Hauptkonzerte. Der Samstagabend stand ganz im Zeichen des klassischen Solospiels. Die erste Hälfte des Konzerts wurde von der Griechischen Gitarristin Antigoni Goni gestaltet, die der heimliche Star des 1. Hamburger Gitarrenfestivals war. Auch wenn ihr Vortrag in diesem Jahr nicht ganz so entspannt wirkte wie in 2004, beeindruckte sie auch diesmal mit eleganter Phrasierung, äußerst sinnlicher Tongebung und engagiertem Spiel. Neben dem viersätzigen Werk „Giokonda´s smile“ von Manos Hadjidakis, drei Choros von Ernesto Nazareth und dem immer wieder gern gehörten „Un Sueño en la Floresta“ von Augustin Barrios-Mangoré verzauberte Antigoni Goni diesmal ihre Zuhörer diesmal insbesondere mit Dusan Bogdanovic´s „Hymn to the Muse“. Alexander Sergeí Ramirez stellte sich dem Hamburger Publikum mit einem fast populär anmutenden Programm vor. Mit traumwandlerischer Sicherheit präsentierte er Etüden von Heitor Villa-Lobos, die Stücke „Leyenda“ und „Rumores de la Caleta“ von Isaac Albéniz und Yuquijiro Yokohs „Sakura-Variationen“. Highlights des Abends waren sicher die von Ramirez aus Lima mitgebrachten klassischen Werke eines Anonymen Komponisten, deren Entstehung auf das Jahr 1786 datiert ist sowie das in atemberaubender Manier dargebotene Koyunbaba von Carlo Domeniconi, das das Publikum zu wahren Beifallsstürmen hinriss.
In der Sonntagsmatinee bekam das Publikum Kammermusik auf höchstem Niveau geboten. Von den solistischen Qualitäten eines Johannes Tonio Kreusch konnte sich das Publikum im Rahmen der Hamburger Gitarrentage schon mehrfach überzeugen. Diesmal hatte der sympathische Münchener Gitarrist seine Frau und Duopartnerin Doris Kreusch-Orsan mit nach Hamburg gebracht. Musik für Violine und Gitarre von Johann Sebastian Bach, Franz Schubert und Enrique Granados stand auf dem Programm und wurde mit höchster musikalischer Intensität dargeboten. Insbesondere mit Schuberts berühmte „Arpeggione“ und Granados „Danza Oriental“ zogen Kreuschs das Auditorium in ihren Bann. Schon jetzt darf man sich auf den 07. September 2007 freuen, dann wird das Duo zu einem weiteren Gastspiel nach Hamburg kommen. Ein virtuoses Feuerwerk zündeten in der zweiten Hälfte Michael Tröster (Gitarre) und Steffen Trekel (Mandoline). Hier hat sich ein absolutes Spitzenduo zusammengefunden das keinerlei spieltechnischen Beschränkungen unterworfen ist und es darüber hinaus versteht, musikalisch gleichermaßen delikat und ausdrucksvoll zu gestalten. Tröster und Trekel präsentierten mit der viersätzigen Sonate für Mandoline und Gitarre von Keigo Fujii, „Café para dos“ von Maximo Diego Pujol den „Reflexões No. 6“ von Jaime Mirtenbaum Zenamon Stücke ihrer jüngst beim Label Torofon erschienenen CD „En Garde“. Mit dem „Tango En Skai“ von Roland Dyens und Astor Piazzollas „La Muerte Del Angel“ konnte Michael Tröster zudem seine außergewöhnlichen solistischen Qualitäten demonstrieren.
Als neue Veranstaltungsinhalte wurden auch die beiden Vorträge von den Teilnehmern sehr begrüßt. Bernd Ahlert referierte über „Die Geschichte der Gitarre – von der Renaissance bis heute“ und demonstrierte eindrucksvoll in seinem Vortrag die Bauweise, die Notation, die Spielweise und den typischen Klangcharakter von Vihuela, vierchöriger Renaissancegitarre, der Barockgitarre in Spanien und Frankreich, der klassischen Gitarre, der Torresgitarre und der modernen Konzertgitarre. Fast alle Instrumente wurden von Ahlert selbst in eigener Werkstatt angefertigt. Peter Korbel sprach mit seinem Thema „E-Gitarrenunterricht mit Kindern“ insbesondere die zahlreichen Gitarrenlehrer unter den Teilnehmern an. Anhand seines Lehrbuchs „E-Gitarre mit Rocko“ erläuterte den Zuhörern seinen methodischen Ansatz.
Dieses spannende und überaus reichhaltige Gitarrenwochenende sollte wirklich jedem Interessierten etwas geboten haben. An dieser Stelle sei noch einmal ganz herzlich den vielen Besuchern, den Sponsoren von GitarreHamburg.de, der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg und den vielen ehrenamtlichen Helfer gedankt, ohne die ein derart umfangreiche Veranstaltung nicht durchzuführen wäre und die durch ihre positive, offene und herzliche Art den Charakter des Hamburger Gitarrenfestivals prägen.
In diesem Jahr werden die Hamburger Gitarrentage mit drei kleineren Veranstaltungen fortgeführt. Am 11. Mai wird der aufstrebende junge Gitarrevirtuose Dimtri Illarionov für ein Konzert zu Gast sein, vom 07.-09. September folgt ein Konzert und ein Kammermusikworkshop mit Johannes Tonio Kreusch & Doris Kreusch Orsan. Im Dezember (07.-09.12.) wird zudem das Dresdener Duo Nassler & Schneider nach Hamburg kommen. Auch einen Termin für das 3. Hamburger Gitarrenfestival gibt es schon, es findet voraussichtlich vom 31.10.-02.11.2008 im Kulturhof Dulsberg statt. Ausführliche Informationen finden Interessierte auf der Website www.GitarreHamburg.de.