Nicht erst seit Astor Piazzolla ist Tango für das Repertoire der Gitarristen von hohem Stellenwert. Analia Rego ist eine klassisch ausgebildete Gitarristin, die sich nach Ihren Studienjahren verstärkt der Musik ihrer Heimat zugewandt hat. Als Solistin und in Kammermusikbesetzungen spielt sie sowohl traditionelle als auch moderne Tangomusik auf hohem musikalischen und technischen Niveau.
Mit diesem Interview möchte Uli Kauth den deutschsprachigen Gitarrenfans die argentinische Gitarristin Analia Rego vorstellen. Uli Kauth ist selbst Gitarrist und Gitarrenlehrer. Er lebt und arbeitet in Hamburg.
Uli Kauth: Du lebest und arbeitest in Buenos Aires. Aus unserer Sicht ist Deine Heimatstadt das Weltzentrum der Tangokultur. Viele Europäer reisen dorthin, um dort die Welt des Tangos in ihrer Ursprünglichkeit hautnah erleben zu können. Welche Bedeutung hat Buenos Aires für deine Arbeit? Gibt es in Deinem Kunstschaffen neben dem Tango noch andere Musikrichtungen, mit denen Du Dich intensiv auseinander setzt?
Analia Rego: Buenos Aires ist meine geliebte Heimat. In Buenos Aires zu leben, bedeutet in der Kultur des Tangos versunken zu sein, einschließlich für die, die ihn ablehnen. Wie Eladia Blazquez schrieb: Auch wenn mein Rücken aus Zement wäre, es ist meine Stadt, meine Leute, und es ist der Ort, an dem ich sterben möchte. Für mich spiegelt der Tango verschiedene Gefühle: er kann schräg und verspielt sein, dramatisch und schwermütig, melancholisch und introspektiv. Er kann fein, aber auch vulgär sein. Er ist außerdem der Spiegel einer Kulturenvielfalt so wie die Stadt, die ihn schuf. Vielleicht ist es alles zusammen: “in Buenos Aires zu leben und den Tango zu spielen”.
U. K.: Die Fotos Deiner Internetseite zeigen Dich mit Deiner Lehrerin Irma Constanzo, einer Schülerin Narciso Yepes, Abel Carlevaro, bei denen Du studiert hast, Hopkinson Smith und Anibal Arias. Weiterhin erfährt man dort über Preise und Auszeichnungen, die Du im Laufe Deiner Karriere gewonnen hast. Welches Gewicht gibst Du der gitarristischen Klassik und klassischen Ausbildung für Dein jetziges Wirken? Wie bist Du zur Tangomusik gekommen? Ist der Tango der Ausgangspunkt, die Wurzel oder hast Du ihn im Laufe deiner Entwicklung entdeckt?
A. R.: Außer des Tangorepertoires bin ich auch noch Interpretin klassischer Musik: In meiner Musikkarriere ist der Tango das Neueste. Viele Jahre habe ich keine Volksmusik gespielt bis ich feststellte, dass dies ein Verlust war. Ich denke, ich könnte nicht so gut Tango spielen, wenn ich nicht den Weg über die klassische Gitarre genommen hätte. Sie hat mir den technischen Rahmen gegeben
U. K.: Seit Astor Piazolla hat die Tangomusik ein neues Gesicht bekommen, und die modernen Strömungen wie Gotan-Projekt, Tango-Crash, Bajotango etc., gehen noch ein Schritt weiter, und verarbeiten Stilelemente aus Pop- und traditioneller Tangomusik. Welches Verhältnis hast Du zu der Veränderung innerhalb der Tangomusik?
A. R.: Die Projekte, die du erwähnst, haben meiner Meinung nach keinen stilistischen Wert mit dem Tango, auch wenn sie eine ästhetische Suche für ihre Förderer bedeutet. Vielleicht ist die Gemeinsamkeit mit dem Tango das Benutzen des Bandoneons. Ob der zukünftige Entwicklungsschritt der so genannte „elektronische Tango“ ist, werden wir innerhalb der nächsten fünfzig oder hundert Jahre wissen. Die Zeit wird es zeigen. Heute hören wir weiterhin die Aufnahmen von Carlos Gardel und Julio De Caro, Fresedo oder Firpo um ein paar zu erwähnen, die schon älter als achtzig Jahre sind. Wir fühlen, dass sie unsere Zeit repräsentieren. Vielleicht passiert etwas Ähnliches mit Gruppen wie Gotan.
U. K.: Eine Deiner Produktionen, heißt: „ Entre Tango y Tango…Tango“. Kannst Du mir diesen Titel erklären? Abgesehen von“ La muerte del angel“ hast Du für Deine Aufnahmen traditionelle Tangos ausgewählt. Wie ist Deine Wahl begründet? Waren die Texte ausschlaggebend ?
A. R.: Zwischen „Tango y Tango… Tango“ ist der Spiegel meiner ersten Begegnung mit dem Stoff seit der Gitarre. Ich entschloss mich Tangos zu interpretieren. In einigen Fällen (Tango/Lied) beeinflusste sehr die Beziehung zwischen Musik und Dichtung, ich versuchte zur Gitarre zu singen wie ich es von meinem Lehrer Anibal Arias lernte. Andere Tangos erschienen mir viel attraktiver durch die melodisch-rhythmische Sprache wie la Cumparsita, Pablo, Unión Civica a San Telmo oder La Muerte del Angel. Der Titel der CD war ein Vorschlag meines Lehrers. Später fand ich heraus, dass es schon einen Tango von Horacio Salgán mit diesem Namen gibt.
U. K.: Deine CD nimmt in der aufgenommenen Tangomusik eine Sonderstellung ein. Tangos für Sologitarre sind ausgesprochen selten. Sonst übernimmt die Gitarre im Ensemble die Aufgabe des Rhythmusgebers und hat im Laufe der Entwicklung eine eigene Technik hervor gebracht. Meist wird die Gitarrenbegleitung mit Plektrum geschlagen. Du vereinigst alle Funktionen des Ensembles in deinem Instrument, der Gitarre .Welche Herausforderungen stellten sich Dir dabei?
A. R.: Der Gitarrentango ist nicht selten, sondern es waren doch genau diese ‚payadores, die die ersten Tangosänger begleiteten. Auch wenn man das Bandoneon international als das Musikinstrument akzeptiert, welches den Tango verkörpert, so war die Gitarre von Anfang an dabei, bis dann das Klavier in den „Orchestras Tipicas“ sie verdrängte. Vielleicht war das Volumen dabei ausschlaggebend. Astor Piazzolla und Horacio Salgán führten sie in den Fünfzigern wieder zurück , als schon elektrische Gitarrren existierten. Außer Orchestern, gab es immer Gitarrengruppen, instrumental oder als Begleitung. Die Solofassungen für die Gitarre waren schon selten, wahrscheinlich durch die Vorurteile der Gitarristen mit akademischer Bildung oder durch die Knappheit von schriftlichen Vorlagen bedingt Heute gibt es eine Unmenge von Material für Gitarrensolo.
U. K.: Die beiden Gitarristen Anibal Arias und Ruben „ Chocho“ Ruiz sind an Deiner CD durch ihre Bearbeitungen der Tangos für Solo-Gitarre wesentlich beteiligt. Mit Anibal Arias arbeitest Du nicht nur in einem Quartett, sondern auch auf Deiner CD zusammen. Was kannst Du uns über deine musikalischen Beziehungen zu diesen beiden Gitarristen sagen? Sind diese Bearbeitungen für Dich entstanden?
A. R.: Anibal Arias war mein Lehrer und Ruben Chocho Ruiz war es formal, obwohl ich viel von ihm lernte. Mit beiden verbindet mich eine tiefe Freundschaft. Die Arrangements waren nicht extra für mich gemacht, sie sind ein Resultat einer didaktischen Notwendigkeit.
U. K.: Zwei wichtige Projekte stellst Du neben deiner Solo- CD in Internet vor. Ein durch phänomenales Zusammenspiel ausgeprägtes Tangogitarrentrio, ( Deborah Blanck, Marcos Gonzalez, Analia Rego) von dem es bisher leider nur eine Kassette mit einigen Live und Studio-Aufnahmen existiert. Ist eine CD geplant bzw. schon aufgenommen? Welchen Schwerpunkt werdet ihr darin verfolgen?
A. R.: Zur Zeit sind es Ariel López und Nicolás Mustillo, mit denen ich das Trio bilde. Wir nehmen gerade eine CD mit klassischen Tangos auf, von denen ich einige auf Kassette habe. Einige der Arrangements sind Adaptionen (Kopien) von Anibal Arias für sein Quartett für Gitarren, andere sind eigene Arrangements und Transkriptionen von sehr bekannten Versionen wie die von Roberto Grela.
U. K.: Das zweite Projekt wird auf der Seite „Madreselva“ vorgestellt. Hier arbeitest Du mit der Tangosängerin Lala zusammen, mit der Du im Februar 2006 in der Schweiz in Neuchatel aufgetreten bist. Bei „ Madreselva geht es, soweit ich erfahren konnte, um Frauen in der Kunst, im speziellen in der Kunst Argentiniens. Was sind die genauen Ziele dieser Bewegung?
A. R.: Mit Lala, Schauspielerin und Sängerin führen wir ein Projekt durch, mit dem Ziel das Repertoire von Tangos durch Frauen zu verbreiten Wir hatten die Möglichkeit vier Konzerte in Neuchatel, Freiburg und Paris zu organisieren. Lala hatte die Idee einen Leitfaden auf Französisch zu machen und eine Theatervorführung mit Projektion von Bildern, wobei die Geschichte von diesen Tangofrauen erzählt wurde, und ich habe den musikalischen Part übernommen.
U. K.: Dein Sendungsbewusstsein zeigt sich auch in deiner Internetseiteseite „ Guitarras Argentinas“ die zu einem Portal der arg. Gitarristen und Gitarrenmusik werden soll. Was ist dort zu finden? Auf den Bildern, die Du auf Deiner Seite zeigst ist auch ein sehr Amüsantes, das der Bewegung „ El mundo de la guitarra. Kannst Du mir dazu einige Informationen geben?
A. R.: Auf Guitarrasargentinas.org sollen die Produktionen der argentinischen Gitarristen verschiedener Epochen und musikalischer Stile einer breiten Öffentlickeit bekannt gemacht werden. Das Portal wird Biographien beinhalten, Audio und Partituren. Es ist ein langfristiges Projekt, ich weiß nicht, wann ich es beenden werde, da ich es in meiner freien Zeit mache. Auf meiner Webseite habe ich Fotos meiner Künstlerkarriere, die für mich gute Erinnerungen sind: treffen mit Gitarristen in Buenos Aires, Orte, wo, ich Konzerte machet, Freunde aus Musikerkreisen, meine Lehrer….
U. K.: Neben Deinen zahlreichen Verpflichtungen und Aktivitäten als aktive Musikerin findest Du aber auch noch Zeit dich um die Ausbildung des gitarristischen Nachwuchses zu widmen. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, dozierst Du in Bs.As seit 1988 an der „Escuela Municipal de Musica de Lanus Bs.As“ und dem „Estudio de Guitarra Irma Constanzo“ sowie seit 2004 an der „ Escuela Argentina de Tango“. Ebenso finden Seminare im europäischen Ausland statt, die Du mit Deinem Wissen und Können bereicherst. Sind die beiden erstgenannten ebenfalls spezifische Tangoausbildungsstätten? Gibt es im Bereich Tango für Gitarre eine Art Lehrplan oder festgeschriebene Didaktik, mit einer Planung der aufeinander folgenden Schritte? Der Umgang mit den Tangotiteln ist ja sehr frei .Von „ Cumparsita“ gibt es glaube ich mehr als 400 verschiedene Bearbeitungen, wobei deine Version die zärtlichste ist die ich je gehört habe Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Vermittlung des Genres, welche Lösungen und Tricks? Wie geht man dort vor? Welche Unterschiede bei der Vermittlung zeigen sich zwischen Schülern in B.s A.s. und Denen, die aus Amerika oder Europa kommen?
A. R.: Zurzeit gebe ich Unterricht in der staatlichen Schule von Lanús. In der EMPA und in meinem Studio. In einigen Schulen, die du erwähnst, gibt es Unterricht klassischer Gitarre und in anderen Tangogitarre. Die erste Schule, in der man Tango unterrichtete, außer Folklore und Jazz, war EMPA in den Achtzigern. Dort studiert man diese Volksstücke für verschiedene Instrumente außer Gitarre. Der Unterrichtsplan besteht aus einem Zyklus von drei Jahren. Diese Ausbildung beinhaltet klassisches und volkstümliches Repertoire der drei Stile. Es geht dann weiter mit einem Zyklus von vier Jahren, in denen sich die Studenten entscheiden können wischen Jazz, Tango oder Folklore. In diesem Fall arbeitet man nur an einem speziellen Repertoire in Einklang mit der ausgewählten Laufbahn.
Es ist richtig, dass es viele Versionen von La Cumparsita gibt. Es freut mich sehr, dass dir meine Version gefällt, auch wenn das Arrangement mir nicht gehört. Im Allgemeinen sind alle Volksstücke dafür geeignet, dass die Versionen sehr unterschiedlich sein können, weil der Musiker die Freiheit besitzt, ein Arrangement zu interpretieren wie er will, oder sein Eigenes machen kann. Ich denke, dass die größte Schwierigkeit beim Erwerb der folkloristischen musikalischen Stile ist, dass sie traditionellerweise in mündlicher Form weitergegeben werden, Partituren existieren, doch glänzen sie nicht durch detaillierte Informationen sie zu interpretieren,. Selbst wenn die Musik sehr klar notiert wird gibt es unzählige rhythmische Details, Artikulationen die sich sich nur durch intensives Hören herausfinden lassen. Außerdem ist die traditionelle musikalische Bildung nur möglich durch gut notierte Musik. Ich glaube, dass deswegen ein großer Teil der Volksstücke nicht Teil des akademischen Repertoires ist .Im Falle der Gitarre ist das Thema noch komplizierter. Denken wir doch an die Unmenge von möglichen Techniken Wie schreibt man die Rasguados einer Bulería , einer Samba, oder einer Chacarera? Als ich meine ersten Tangos lernte, merkte ich, dass es etwas in meiner Interpretation gab, was nicht funktionierte. Ich erreichte nur den Swing des Tangos indem ich die rechte Hand meines Lehrers beobachtete und natürlich viele Schallplatten anhörte.
Du fragst mich welcher Unterschied sich bemerkbar macht zwischen den Studenten aus Buenos Aires und den Ausländern. Um es zu lernen muss man nur Geduld für die Suche haben und sich ereifern und sich mitten drin aufhalten. Die Sprache der Musik ist universal und heute mehr als früher durch die Kommunikationsmittel. Ich glaube nicht, dass jemand einen Tango besser spielt nur weil er in Buenos Aires lebt. Hast du schon mal David Caswell der englische Tangogitarrist , der in West Sussex lebt, gehört? Ich kenne Ich keinen argentinischen Gitarristen, der Cacho Tirao besser interpretiert als er.
U. K.: Zum Ende dieses Interviews möchte ich noch einen Blick in die Zukunft werfen. Wird es bald eine neue CD von Dir geben, solo oder mit Ensemble? Wird eine ganz andere Analia Rego zu Hören sein? Welche Pläne hast Du für die Zukunft ?
A. R.: Ich habe verschiedene Pläne für die Zukunft. Ich habe meine zweite CD aufgenommen mit Tangos, Milongas , klassischen Walzern und Tangorepertoire: Don Agustín Bardi, Los mareados, Gallo ciego, Noctuma, Palomita blanca, einige mit Sologitarre und einige mit eingeladenen Musikern. Ich wählte Arrangements von Anibal Arias, Jorge Morel, Ruben chocho Ruiz, Luis Maria Soria und meine. Auch fügte ich Bordel 1900 ein der Suite „Historia del tango“ von Astor Pizzolla bei. Die Aufnahmen habe ich vor einigen Monaten beendet, aber die Ausgabe fehlt noch, Cover und ein Verlag für die Verteilung. Ich habe noch andere Projekte auf dem Weg weil es mir gefällt, in Verbindung mit dem Tango mehrere Dinge gleichzeitig zu machen, handelt es sich um ein Duo mit dem Pianisten Rogelio Marra, mit seinen Arrangements im Stil „salganeano,“ Das andere ist auch ein Duo mit dem Bassisten Maximo Rodriguez, aber in diesem Fall umfasst das Repertoire andere bekannte Musikstile außerhalb des Tangos. Wir sind in einer Phase, die man Erforschung nennen könnte, da die Kombination aus klassischer Gitarre und Bass ein wenig erforschter Klang ist. Währenddessen gebe ich weiterhin Unterricht und vervollständige meine Lizenz ( Professur) für Ensemble . Ich hoffe meinen Titel im nächsten Jahr zu erhalten.
U. K.: Vielen Dank für das Interview! Ich hoffe, Dich demnächst auch einmal in Deutschland live hören zu können.
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