Wolfgang Lendle hat Spaß an der Virtuosität und zeigt dies auch. Dies wird schon am eingespielten Repertoire deutlich. Mit seinen eigenen Kompositionen und den Interpretationen selbst bearbeiteter Werke von Paganini, Kreutzer und Alard bringt er seine innere Verbundenheit mit den Instrumentalvirtuosen der romantischen Epoche, die gleichzeitig auch meist selbst Komponisten waren, zum Ausdruck. Gleich zu Beginn brennt Lendle mit der Caprice Nr. 24 op. 1 von N. Paganini ein regelrechtes Feuerwerk ab. Er überzeugt hierbei nicht nur durch eine makellose technische Beherrschung des Stücks, sondern auch durch die Klarheit der Phrasierung und eine hohe musikalische Intensität.
Mit der CD “Variations Capricieuses” stellt sich aber insbesondere der Komponist Wolfgang Lendle vor. Seine Eigenkompositionen stellen die einzige Originalliteratur dieser Aufnahmen dar. Fast bescheiden erklärt er im Booklet, dass die wirklich große Musik dieser Zeit aus der Feder von Nichtinterpreten geflossen sei. Seine Kompositionen dürften aber auch für andere Gitarristen sehr interessant sein. In ihnen lotet Lendle die Möglichkeiten des solistischen Spiels auf der Gitarre aus und überrascht dabei immer wieder mit frappierenden Effekten. Die Tonsprache der Kompositionen ist eher von traditionellem Charakter, zeigt aber einen freien Umgang mit Dissonanzen. Lendles Werke haben nichts von angestrengtem Avantgardismus und spiegeln seine große Kenntnis des Instruments und die Freude am virtuosen Spiel wieder.
In den “Tres piezas del litoral” wagt er die kompositorische Auseinandersetzung mit südamerikanischem Material. Die Stücke “Rumba Negra”, “Cuna encantada” und “Fiesta en Manabi” beinhalten zwar südamerikanische Rhythmen und basieren auf entsprechenden programmatischen Inhalten, sie sind aber keineswegs simple, folkloristische Imitationen.
Die übrigen Kompositionen sind gewissermaßen ein Bekenntnis zu Persönlichkeiten, die einen musikalischen Einfluss auf den Komponisten und Interpreten Wolfgang Lendle gehabt haben. Durch das Stück “Threnodie – Il Domenico ricordato” bringt er seine Bewunderung für den Komponisten Domenico Scarlatti zum Ausdruck. Die drei Stücke der “Homenaje catalán” sind jeweils M. Llobet, P. Casals und E. Pujol gewidmet. Hier verarbeitet er zudem folkloristische Themen aus der katalanischen Heimat dieser drei Musiker.
Die nicht von dem Interpreten selbst geschriebenen Werke stammen allesamt von Violinvirtuosen und Pädagogen. Neben Kompositionen von Paganini sind dies zwei Etüden von Rudolf Kreutzer und Delphin Alard, die trotz ihrer didaktischen Inhalte auch von unbestreitbarem musikalischem Wert sind.
Mit den letzten zwei Titeln der Einspielung erweist der Interpret noch einmal Paganini seine Referenz. Mit einer sehr gelungenen Bearbeitung von “La Campanella” zeigt er in überzeugender Weise auf, welches Repertoire sich für die Gitarre erschließen lässt.
Die bewusst gewählte Anordnung der Reihenfolge alt-neu, bzw. Bearbeitung-Originalstück, mit der Wolfgang Lendle eine Alternative zum gängigen Solorepertoire bieten möchte, geben der Einspielung ihren Rahmen. Den Abschluss bildet dabei die Komposition, nach der die CD benannt wurde. In den “Variations Capricieuses d´après Paganini” verarbeitet Lendle das Thema der eingangs gespielten Caprice Nr. 24 op. 1 und schließt durch diese Fusion von Alt und Neu einen Kreis.
CD-Besprechung: Carmenfantasy