“Blau ist die Farbe des Übergangs von des Tages Helle in die Nacht der Träume. Wenn der Tag zur Neige geht, verändert sich unsere Wahrnehmung; Augen und Ohren werden weiter, und die Seele öffnet sich den Erinnerungen. Kein anderes Instrument vermag diese Gemütsfarbe so umfassend und unmittelbar auszudrücken wie die Gitarre. Sie sucht die poetische Verdichtung – denn die große Geste liegt ihr fern – und rührt mit ihrem Klang an das Innerste im Menschen. Sie ist als eines der ältesten Volksinstrumente ein wahrhaftiger Lebensbegleiter und selbst in den zartesten Momenten niemals sentimental, bei aller Kraft und Herbheit niemals grob.”
Mit diesen Sätzen, die der Gitarrist Clemens Völker dem Booklet-Text seiner CD “Traumblau” vorangestellt hat, gewährt er einen tiefen Einblick in seine Musikerseele. Die in diesen Zeilen zum Ausdruck gebrachte Einstellung zur Gitarre spiegelt sich auch in der Musik seiner ersten Solo-CD wieder. Mit einem Programm, das sich von der Barockmusik eines Robert de Visée bis zu jazzigen Klängen des Pianisten Bill Evans erstreckt, stellt sich Clemens Völker als engagierter und sehr vielseitiger Musiker vor.
Die einleitende Suite No.6 in c-moll aus dem berühmten 1682 erschienen Buch “Livre de la Guittare” von Robert de Visée wurde selbstverständlich für die damals gebräuchliche Barockgitarre komponiert. Für eine Wiedergabe auf der modernen Konzertgitarre bedarf es deshalb einer Bearbeitung der Originalvorlage, die den erheblichen instrumentenbaulichen Unterschieden Rechnung trägt. Aus diesem Grunde verzichtet Völker auch auf den übermäßigen Gebrauch der auf der Barockgitarre üblichen Schlagtechniken, so dass nichts von der ursprünglichen Feinheit dieser Werke verloren geht. Mit einer sehr eindeutigen Linienführung legt er polyphone Strukturen frei, ornamentiert gekonnt und lässt dabei stets die Charaktere der einzelnen Suitensätze aufleben. Grundsätzlich spielt Völker mit zurückhaltender Noblesse, geht aber auch wie z.B. in Courante und Gavotte energisch und zupackend zu Werke.
In den folgenden drei Mazurken von Francisco Tarrega stellt Völker das tänzerische Element in den Vordergrund und nimmt diese in einem etwas flotteren Tempo und nicht ganz so elegisch wie sie sonst oft interpretiert weden.
Mit den musikalisch und technisch höchst anspruchsvollen Konzertetüden (No. 8, 5, 10, 11 und 7) des brasilianischen Komponisten Heitor Villa-Lobos stellt Clemens Völker auch seine virtuosen Fähigkeiten unter Beweis, meistert schnelle Läufe und Arpeggien äußerst sauber und in makelloser Manier, drängt sich dabei als Interpret aber nie in den Vordergrund.
Bill Evans wird oft als der Debussy unter den Jazzpianisten bezeichnet. Die hier eingespielten 3 Stücke wurden von Ralf Jarchow für die Gitarre eingerichtet. Durch Völkers erlesene Tongebung kommen die Impressionismen dieser musikalischen Schätze wirkungsvoll zur Entfaltung.
Auch in der abschließenden neoklassizistischen Sonate op. 77 von Mario Castelnuovo-Tedesco stellt sich Völker ganz in den Dienst der Komposition, indem er die vier Sätze geschmackvoll aber ganz ohne Effekthascherei gestaltet.
Bei der Aufnahme wurde bewusst auf übermäßigen Schnitteinsatz und digitale Nachbearbeitung verzichtet, um so ein wenig Konzert-Atmosphäre zu erhalten. All zu oft wird man als Hörer*in mit fast sterilen Aufnahmen konfrontiert, so dass es sehr angenehm ist auch einmal etwas vom agierenden Interpreten – z.B. durch dessen Atmung – mitzubekommen.
Alles in Allem sehr viel mehr als eine ausgezeichnete musikalische Visitenkarte.
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