Nur wenige Instrumente werden so oft als romantisch charakterisiert wie die Gitarre. Die Literatur für Gitarre, deren Textur und musikhistorischer Kontext als romantisch bezeichnet werden könnte, ist allerdings sehr überschaubar. Hatte die Gitarre um 1800 eine wahre Blütezeit erlebt, war diese um 1830 schon wieder am abklingen. Neben dem Klavier blieb wenig Platz für die Gitarre.
Brigitte Zaczek hat sich der Gitarrenmusik dieser Zeit angenommen. Die Wienerin studierte an der Wiener Musikakademie bei Luise Walker. Zudem hatte sie Unterricht von Lehrern mit so klangvollen Namen wie Andrés Segovia und Alirio Díaz. Eine ihrer besonderen Vorlieben ist das Spiel auf historischen Musikinstrumenten. Nach der langjährigen Beschäftigung mit der Lautenmusik des 17. und 18. Jahrhunderts setzt sie sich seit einigen Jahren intensiv mit der Gitarrenmusik des 19. Jahrhunderts auseinander.
Die vorliegende CD wurde dementsprechend auf Originalinstrumenten dieser Zeit eingespielt. Sie stammen von dem Wiener Instrumentenmacher Nikolaus Georg Ries, sowie den Franzosen Francois Roudhloff und Blaise de Jeune und wurden von Bernhard Kresse restauriert. Alle Instrumente werden im Booklet mit Foto und Charakterisierung vorgestellt.
Als gebürtige Wienerin, die ihrer Heimatstadt immer treu geblieben ist, hat Zaczek sich ganz besonders der Musik des Wiener Komponisten und Gitarristen Kaspar Joseph Mertz gewidmet. Die fünf Kompositionen “Liebeslied”, “Scherzo”, “An Malvina”, “Tarantelle” und “Elegie” aus den Bardenklängen op. 13, sowie die von Mertz angefertigten Bearbeitungen des “Ständchen” von Franz Schubert und der “Annenpolka” von Johann Strauß nehmen über die Hälfte der Einspielung ein. Zudem gibt es Napoléon Costes “Valse Favorite op. 46” und seine fünfsätzige “Grande Sérénade” zu hören.
Die Bardenklänge von Mertz interpretiert Brigitte Zaczek als “Lieder ohne Worte” mit schönen ausgespielten Melodiebögen und sehr organischer Phrasierung. Der Einsatz von Agogik fällt dabei durchweg sehr nuanciert aus. Ob sanfte Melodien über fließende Arpeggien gelegt werden (“An Malvina”), über einen längeren Abschnitt Spannung aufgebaut wird und sich – wie in der “Tarantelle” – in einem feurigen Finale entlädt oder die “Elegie” in eine getragene schwermütige Stimmung gekleidet wird, Zaczek trifft immer den Gestus, spielt durchweg mit hoher Intensität und sehr gesanglich.
Costes “Valse Favorite” kommt leicht aber dennoch beherzt und kraftvoll daher. Erstaunlich, was historische Instrumente für ein Volumen entfalten können. Gelungen ist auch die Dramaturgie der “Grande Serenade”, welcher die Interpretin eine große Dichte verleiht.
Am Schluss der Einspielung stehen die beiden mertzschen Bearbeitungen. Bei Schuberts “Ständchen” wird sicher wieder “Die seelenvoll Singende” von Francois Rudloff im Einsatz gewesen sein. Die “Annenpolka” ist dagegen ein schmissiger schwungvoller Rausschmeißer, den Zaczek erfrischend musikantisch darbietet.
Das gute Erscheinungsbild und das interessante Booklet runden diese CD ab. Besonders interessant ist auch der darin enthaltene Aufsatz “Romantische Gitarre – Der sanfte Widerhall ruheloser Jahrzehnte” von Alfred Kommarek, in dem der Autor die Entwicklung der Gitarre um 1850, unter Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Hintergründe, beleuchtet.
Weitere Informationen über die Interpretin und einige Hörbeispiele: