Kaum ein anderer hat die Deutsche Fingerstyle-Gitarrenszene so geprägt wie der Musiker Peter Finger. Der 1954 in Weimar geborene Sohn eines Dirigenten lernte, bevor er im Alter von 13 Jahren mit dem Gitarrenspiel begann, zuvor das Geige- und Klavierspiel. Das mag der Grundstein für seinen außerordentlich weiten musikalischen Horizont gewesen sein, der neben den typischen Roots der Fingerstyle-Gitarre viele populäre Stilrichtungen und klassische Musik umfasst. Sein Musikstudium in Münster dürfte auch zu dieser unglaublichen Flexibilität beigetragen haben. Hier haben wir es mit einem ganz und gar freien Musiker zu tun, der sich aufgrund seiner hervorragenden Spieltechnik, seines profunden Wissens und einer unvergleichlichen Musikalität nach Belieben auf seinem Instrument auszudrücken vermag. Glücklicherweise führt dies keinesfalls zur Gesichtslosigkeit, denn Peter Finger bleibt dennoch immer unverkennbar Peter Finger.
Auch auf seiner jüngsten CD “Blue Moon” zeigt er einmal mehr, warum es ihm immer wieder gelingt, selbst ausgewiesene Kenner*innen des Metiers mit seiner Vielschichtigkeit zu überraschen. “Nur wenige ersetzen allein mit einer akustischen Gitarre ein ganzes Orchester wie Peter Finger” schrieb vor 15 Jahren die Presse, als Fingers Soloalbum “Niemandsland” erschien und tatsächlich scheint dieser Gitarrist und Komponist mehrerer Orchesterwerke auch auf der Gitarre orchestral zu denken.
Mit dem erwähnten Titel “Niemandsland” hat Finger einen sehr stimmungsvollen Einstieg in sein neues Album gewählt. Fast präludienhaft wirken die sich um ein melodisches Motiv rankenden rasanten Skalen und Akkordbrechungen, die in einen ruhig dahinfließenden barkarolenartigen Teil münden, über den Finger innige fragende Melodien zaubert. Die Antwort besteht aus einem folgenden optimistisch beschwingten Schlussabschnitt. Unterlegt durch eine ostinate Bassfigur, entfaltet Finger hier seine Virtuosität und steigert sich bisweilen in einen wahren euphorischen Spielrausch. Druckvoll und rasant geht es auch in “Once in a Blue Moon” zur Sache, bevor der Ausnahmemusiker mit der wunderschön melancholischen Ballade “We’ll meet again” einen warmen weiten Klangteppich vor seinen Hörer*innen ausbreitet, in den er Melodien von zartester Schönheit webt. Ganze Geschichten erzählt der glänzende musikalische Dramaturg mit seiner Lakewood. Beeindruckend, was für eine Gänsehautatmosphäre Finger mit einer einstimmigen Melodie zu erzeugen weiß. „Soul on Fire“ beginnt mit einer orgelpunktartigen Tonrepetition, über der sich korrespondierende Melodiefetzen nach und nach zu einem immer wieder mit funky Deadnotes gespicktem Feuerwerk an Spielfreude empor schwingen. Ruhiger wird es dann wieder mit der Komposition “Sinn ohne Worte”, wobei Sinn wohl auch durch das Wort “Lied” ersetzt werden könnte. In “Caught in the Circle” zieht Finger noch einmal alle Register seiner frappierenden Virtuosität und erlaubt sich am Ende eine kleine technische Spielerei, indem er sich durch einen eingemischten Hall-Effekt und ein Fadeout langsam von seinem Publikum entfernt. Das atmosphärisch sehr dichte wie ein tombeauartiges Klagelied wirkende “Over the Horizon” lässt Finger auf der Dominante enden und so gleichsam ein musikalisches Fragezeichen im Raum zurück. Es ist noch nicht alles gesagt. Zum Glück, denn von diesem Musiker ist sicher noch Einiges zu erwarten.
Die sieben umfangreichen Kompositionen weisen bei einer Dauer von bis zu 8:35 niemals Längen auf. Dies ist nicht nur ein Verdienst des kompositorischen Einfallsreichtums, auch die musikalische Gestaltung ist vom Allerfeinsten. Von Fingers Umgang mit Dynamik und Artikulationen können nicht nur Fingerstyler noch eine Menge lernen.
Ein weiteres erstklassiges Album von Peter Finger, das in jedem CD-Regal von Akustikgitarren-Fans zu finden sein sollte.
Weitere Informationen und Hörbeispiele aller Titel gibt es auf der folgenden Web-Site: