Die Ikone der kubanischen Gitarristik ist zweifelsohne der Gitarrist und Komponist Leo Brouwer, hat er doch mit seinen Werken die Entwicklung der Gitarrenmusik in den letzten Jahrzehnten weltweit entscheidend beeinflusst. Oft werfen derartige Lichtgestalten ganz ungewollt ihren Schatten auf die nachkommende Generation. Um diese daraus hervortreten zu lassen, bedarf es Interpreten wie Johannes Tonio Kreusch. Auf seinen Reisen sucht er immer auch den Kontakt zu den dortigen Komponist*innen. Bei dem Gitarrenfestival in Havanna im Jahre 1994 traf er auf den kubanischen Komponisten Tulio Peramo. Es entwickelte sich eine tiefe Freundschaft und intensive Zusammenarbeit der beiden Künstler, aus der die im April 2000 aufgenommene CD “Portraits Of Cuba” hervorging. Mit dieser Einspielung möchte Johannes Tonio Kreusch den Komponisten Tulio Peramo einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen.
Kreusch eröffnet die CD gemeinsam mit der Mezzosopranistin Nan-Maro Babkhanian (Metropolitan Opera) und dem Liederzyklus “Aires de la tierra”. Diese “Lieder von der Erde” sind von reizender Schönheit und durch die ständig präsenten folkloristischen Elemente sowie die vom Komponisten stammenden Texte wahrlich erdverbunden. Eingebettet in eine Musik, in der sich europäische und kubanische Einflüsse vermischen, wird das Glück und Leid des Lebens und das Land besungen. Besonders ergreifend sind die Sätze “Salmodia”, ein Lied an ein verstorbenes Kind, sowie der im Tango-Conga-Rhythmus stehende letzte Satz “Fiesta”, bei dem Anmut, Glücksgefühl und Lebensfreude direkt auf die Zuhörerschaft überspringen.
Die Solosuite “En Tardes de Lluvia” entstand angeregt durch einen gemeinsamen Besuch der Künstler in einer Ausstellung impressionistischer Malereien. Genau dies schlägt sich auch in den Werken nieder, die man als impressionistisch angehauchte Klanggemälde beschreiben könnte. Mit seiner sehr narrativen Vortragsweise schafft Kreusch eine hochkonzentrierte Atmosphäre und zieht die Zuhörerschaft damit in seinen Bann.
Das Gitarrenkonzert “Tres Imágenes Cubanas“ ist das erste Johannes Tonio Kreusch gewidmete Werk und wurde auf der vorliegenden CD in der Fassung für Gitarre und Streichquartett eingespielt. Mit dem Griffin String Quartett hat Kreusch sich zielsicher Musiker*innen an seine Seite geholt, mit denen er aufs prächtigste harmoniert. Formal kommen hier deutlich die europäischen Einflüsse Tulio Peramos Kompositionsstils zum Tragen. So verwendet er in den drei Sätzen Sonatenhauptsatz-, Lied- und Rondoform. Zu Beginn des zweiten Satzes gibt es ein kleines Dejavu-Erlebnis, meint man doch die brouwersche Bearbeitung der “Berceuse Campesina” zu hören.
Das wunderschön wehmütige Lied ohne Worte “Canto de Septiembre” lässt die Einspielung ausklingen und den Zuhörer in andächtiger Stille verharren. Die Gitarrenwelt ist reicher geworden!
Die Musik Tulio Peramos ist auf angenehme Weise befreit von aufgesetztem Originalitätszwang. Durch die Synthese der unterschiedlichsten Einflüsse entwickelt der Komponist dennoch eine ihm ganz eigene Tonsprache. Kreusch schreibt über Tulio Peramo: “Tulio möchte nicht über seine Musik sprechen, weil die Musik für sich selbst sprechen soll – und sie macht es wirklich.”
Genauso spricht die großartige Vortragsweise für die Klasse des Interpreten!
Interview mit Johannes Tonio Kreusch.
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